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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: François Lelord
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Miene. Nur als er seinerseits das Gesicht seines Vaters erblickte, huschte ein flüchtiges Lächeln über seine Züge. »Wie geht’s, Papa?«
    »Sehr gut, und dir?«
    »Alles in Ordnung. Es geht so seinen Gang.«
    Zu Beginn seines Aufenthalts hatte Hector II . seinen Eltern regelmäßig Fotos geschickt, auf denen er im Begriff war, umringt von jungen Soldaten mit Stahlhelmen und kugelsicheren Westen in einen großen Militärhubschrauber zu steigen. Spezialeinheiten, wie er seinen Eltern fröhlich erklärt hatte. Dann hatte der reizende Knabe mitbekommen, dass, was für ihn aufregend und spannend war, seine Mutter in unkontrollierbare Angstzustände stürzte, und so hatte er keine Fotos dieser Art mehr geschickt. Nun kamen beruhigendere Bilder, auf denen Hector II . mit ernster Miene neben seinem Chef saß. Es waren Besprechungen mit würdigen afghanischen Beamten sowie Repräsentanten von Nichtregierungsorganisationen, darunter sogar auch einigen afghanischen Frauen mit unverschleiertem Gesicht.
    »Aber wir kommen immer unangekündigt und bleiben nie lange an einem Ort«, hatte Hector II . erklärt. »Damit die Rebellen gar nicht erst die Zeit haben, einen Angriff vorzubereiten …«
    »Das solltest du deiner Mutter nicht erzählen«, hatte Hector gesagt. Daraufhin kamen, um nun wirklich alle zu beruhigen, Fotos von Hector II . auf Versammlungen in den Botschaftsräumen in Kabul. Auf mehreren Bildern war Hector eine brünette junge Frau aufgefallen. Eine junge Anwältin, hatte ihm Hector II . erklärt; sie kümmerte sich für eine Nichtregierungsorganisation um die Frauenrechte in Afghanistan.
    Auch das solltest du deiner Mutter nicht erzählen, hatte Hector gedacht, und es war ihm nicht entgangen, dass in der Stimme seines Sohnes ein wenig Unsicherheit gelegen hatte. Außerdem hatte er sehr wohl bemerkt, was für einen Blick die junge Afghanin ihm auf einem der Fotos zuwarf.
    An diesem Vormittag auf dem Bildschirm wirkte Hector II . frisch und ausgeruht. Womöglich war dies ein Privileg der Jugend, dachte sein Vater; er selbst fühlte sich müde und schlecht in Form, obwohl sein Leben doch weniger turbulent verlief. Aber vielleicht war gerade das der Grund?
    »Ich komme nach Paris zurück!«, verkündete Hector II .
    »Na endlich!«
    Hector freute sich sehr und dachte gleich an Clara, die sich noch viel mehr darüber freuen würde.
    »Äh, nein, nicht für immer … Nur für vierzehn Tage.«
    »So kurz?«
    »Ich begleite einen Lehrgang für afghanische Anwälte in Paris!«
    Hector sagte sich, dass er der jungen Frau vom Foto vielleicht schon bald begegnen würde, aber er fragte nicht nach; er stellte seinen Kindern nie Fragen über ihr Liebesleben, sondern wartete, bis sie wirklich wichtige Neuigkeiten zu vermelden hatten.
    »Also, Papa, dann bis bald!«
    »Bis bald, mein Junge.«
    Hector II . verschwand vom Bildschirm, und Hector fand, dass sein Sohn, was spektakuläre Lebenswenden betraf, viel früher anfing als er selbst.
    Er hörte, wie die Sprechstundenhilfe einem Patienten die Tür öffnete. Eigentlich waren es, wie sie Hector benachrichtigte, sogar zwei – der sehr verspätete Roger und Olivia, die ein bisschen zu früh gekommen war.

Hector beruhigt Roger
    Roger betrat das Sprechzimmer, ohne Guten Tag zu sagen oder sich zu entschuldigen; dann nahm er im Patientensessel Platz. Er starrte Hector mit gerunzelter Stirn an und sagte dabei kein Wort.
    Hector war ernsthaft beunruhigt.
    Bestimmt hatte Roger seine Medikamente nicht mehr genommen, und die Wahnvorstellungen waren wieder da. Vielleicht war Hector jetzt sogar ein Bestandteil dieser kruden Ideen? Er musste schnell herausfinden, ob Roger ihn nicht plötzlich für den Antichrist hielt, der ihm in manchen seiner früheren Wahnschübe erschienen war.
    »Roger?«
    Keine Antwort.
    »Mir ist aufgefallen, dass Sie viel zu spät gekommen sind. Hatten Sie unterwegs Probleme?«
    Hartnäckiges Schweigen, aber der starre Blick wirkte nun ein wenig milder.
    »Ich bin überzeugt, dass Sie Probleme hatten, denn sonst kommen Sie immer pünktlich. Da sind Sie übrigens der Einzige.«
    Roger senkte den Blick und schaute seine beiden großen, behaarten Hände an, die er auf die Knie gelegt hatte.
    Hector hoffte, dass der Wahn, der in Roger steckte, ihm nicht befehlen würde, seinen Psychiater zu erwürgen.
    Er musste versuchen, in Kontakt mit ihm zu bleiben, denn das Schweigen verstärkt die Halluzinationen normalerweise.
    »Roger, Sie sehen so aus, als würden Sie

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