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Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)

Titel: Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: François Lelord
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habe meine Beziehungen!«
    Nun begann sich auch Hector für ihn zu schämen. Vielleicht hätte er mit Sabine gründlicher besprechen sollen, welche Konsequenzen ihre Entscheidung für das Eheleben haben könnte, aber na gut, man kann nicht an alles denken.
    »Hören Sie«, sagte Hector, »ich bin gern bereit, mit Ihnen darüber zu reden, aber nicht in diesem Ton!«
    »Reden, reden … aber ich habe vielleicht keine Lust auf Ihr Gerede, sondern will Ihnen bloß sagen, dass Sie ein Idiot sind, ein Nichtskönner, der meiner Frau nichts als Flausen in den Kopf gesetzt hat!«
    Sabines Ehemann war von seinem Stuhl aufgesprungen und brüllte herum. Nein, dachte Hector, das konnte doch nicht sein – binnen einer Woche in zwei Schlägereien verwickelt zu werden!
    Da ging die Tür auf, und man vernahm eine dröhnende Stimme. »Was ist hier los?«
    Es war Roger, und er sah so knurrig aus wie ein Bär, den man beim Mittagsschlaf gestört hat.
    »Roger! Sind Sie schon lange da?«
    »Ja, tut mir leid, dass ich ohne Termin gekommen bin, aber ich musste dringend mit Ihnen sprechen … Und wie ich so wartete, vernahm ich plötzlich ein höllisches Geheul, das Toben des Bösen!« Und bei diesen Worten ließ Roger den Ehemann von Sabine nicht aus den Augen.
    Der stand da wie zur Salzsäule erstarrt, und Hector sah, dass er gar nichts mehr verstand: War Roger ein Patient, ein Freund von Hector, ein Leibwächter?
    Draußen vor dem Fenster bimmelte die Glocke von Saint-Honoré-d’Eylau.
    »Ich denke, wir gehen jetzt lieber, Doktor«, meinte Sabine.

Roger will ein neues Leben anfangen
    »Wir werden uns eine ganze Weile nicht sehen«, sagte Roger und setzte sich.
    Er machte einen ruhigen Eindruck; wahrscheinlich nahm er seine Medikamente wieder ein – oder aber das Mittel, das Hector ihm beim letzten Mal gegeben hatte, wirkte noch immer.
    Zuerst dachte Hector, Roger wolle ihm mitteilen, er werde nun doch in die Vorstadt umziehen. Aber da irrte er sich gewaltig.
    »Doktor, ich gehe nach Afrika!« Und Roger lachte kurz auf, als könne er selbst kaum glauben, was er da sagte, als könne er es noch gar nicht richtig fassen.
    Im ersten Moment fürchtete Hector, Roger habe sich in den Kopf gesetzt, den Maghreb zu rechristianisieren, und sich dabei ein wenig im Jahrhundert geirrt. Aber an diesem Morgen lag Hector mit fast allem falsch.
    Roger wollte sich als freiwilliger Helfer einer religiösen Gemeinschaft anschließen, die sich in einer gerade von einem Erdbeben zerstörten Stadt in Afrika an den Wiederaufbauarbeiten beteiligte. Auf diese Idee war er gekommen, als er in seiner Kirche Fotos von den Ruinen gesehen hatte; man hatte um Hilfsgelder gebeten und sogar um Aufbauhelfer. Roger hatte mit dem Pfarrer darüber gesprochen, und der hatte ihn zu Hector geschickt.
    Hector fand, dass es tatsächlich eine gute Idee war. Dort unten hätte Roger das Gefühl, nützlich zu sein, und er würde unter Leuten leben, die sich über seine Anwesenheit freuten, während er hier nur jemand war, der nicht groß was zu tun hatte und von einer Behindertenrente lebte. Im Wiederaufbaucamp gab es sogar einen Arzt, der bei Hector anrufen konnte, falls es ein Problem gab. Aber Hector war überzeugt, dass es kein Problem geben würde, solange Roger seine Medikamente nahm.
    Und tatsächlich hatte er wieder damit angefangen, sie zu schlucken, und bat Hector sogar, ihm eine ganze Stange davon zu verschreiben, damit er welche auf Vorrat hatte, denn in Afrika fehlt es oft schon an normalen Medikamenten und erst recht an Psychopharmaka.
    »Aber was genau wollen Sie dort tun?«
    »Oh, an Arbeit fehlt es nicht. Schulen müssen wiederaufgebaut werden, sogar Toiletten … Sie wissen doch, damit kenne ich mich ein bisschen aus.«
    Und da fiel Hector wieder ein, dass Roger, ehe er seine Laufbahn als psychisch Kranker begonnen hatte, auf dem Bau tätig gewesen war, wo man stämmige Kerle wie ihn brauchte – ebenso wie in der Ruinenstadt, in die er jetzt gehen wollte.
    »Aber, Roger, eines Tages werden Sie doch sicher zurückkommen?«
    »Die Wege des Herrn sind unergründlich«, sagte Roger und erhob sich. »Auf jeden Fall möchte ich Ihnen für alles danken, was Sie für mich getan haben.«
    Als Roger gegangen war, merkte Hector überrascht, dass er ihn ein wenig beneidete.
    Roger würde wirklich ein neues Leben anfangen! Er würde einen neuen Kontinent entdecken und beim Wiederaufbau einer Stadt helfen, die ein Erdbeben in Trümmer gelegt hatte.
    Er hingegen, Hector,

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