Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
der Großvater ihm erlaubte, die Enkeltochter auszuziehen und sogar noch mehr mit ihr zu machen.
Auf jeden Fall aber ließen ihn die mit Ophélie verbrachten Stunden die Arbeit viel besser ertragen; er hatte das Gefühl, dass der Umgang mit den Patienten ihm jetzt leichter fiel und dass er mehr Mitgefühl für ihr schwieriges Leben aufbrachte.
Und an diesem Morgen war es ihm ein Vergnügen, Sabine zu sehen – eine neue und hoffnungsvolle Sabine, die ihre Midlife-Crisis nicht mehr beweinte, sondern ihr Leben durch eine entschlossene Entscheidung selbst in die Hand nahm.
»Es waren Ihre Worte über den Wertekonflikt zwischen der Firma und dem Beschäftigten. Das hat mir klargemacht, dass ich mit dieser Arbeit nicht mehr glücklich geworden wäre, denn meine Wertvorstellungen kann ich nicht ändern. Als ich jung war, habe ich keine großen Gedanken daran verschwendet, aber inzwischen sind mir die Umwelt, gesunde Ernährung und so weiter immer wichtiger geworden. Und wenn es mir privat so wichtig ist – warum sollte ich nicht meinen Beruf daraus machen?«
Für Hector hörte sich das alles sehr vernünftig an. Jedenfalls war es längst nicht so unvorsichtig, wie eine Liaison mit einer jungen Frau zu haben, die so alt war wie die eigene Tochter.
»Ich habe das nötige Startkapital, weil ich die Aktien verkauft habe, die ich von meiner Firma hatte. Und dann bin ich eine gute Geschäftsfrau, ich kenne die Branche, und ich werde die Produkte, die ich verkaufe, auch selbst mögen! Und vor allem – vor allem ist es eine Wachstumsbranche!«
»Und was hält Ihr Mann davon?«
»Tja«, sagte Sabine, und das Lächeln schwand von ihrem Gesicht, »das ist das eigentliche Problem.«
»Er ist nicht einverstanden?«
»In der ersten Phase werden wir zwangsläufig geringere Einkünfte haben …«
»Haben Sie mit ihm schon darüber gesprochen?«
»Ähm … er möchte sich gerne mit Ihnen treffen …«
»Selbstverständlich, wir können gleich einen Termin machen.«
»Er ist schon hier«, sagte Sabine. »Im Wartezimmer.«
Sabines Ehemann war ungefähr so, wie Sabine ihn beschrieben hatte, und das überraschte Hector. Er war es gewohnt, dass in seine Praxis bescheidene und angenehme Ehepartner kamen, die man ihm als narzisstische Perverse beschrieben hatte, oder aber eingefleischte Egoisten, über die man ihm gesagt hatte, sie seien im Grunde anbetungswürdig. Aber nein, hier saß ihm ein großer, sympathischer Bursche gegenüber, der tatsächlich wie ein flatterhafter Tennislehrer aussah und die meiste Zeit gut gelaunt sein musste. Nun aber schaute er finster und sogar zornig drein.
»Ich finde die Idee total verrückt«, sagte er und blickte dabei Hector an, als sei der schuld an allem.
»Aber nein, mein Schatz«, sagte Sabine, »ich habe es mir gut überlegt, und es ist eine Sache, die mir wirklich liegt.«
»Uns fehlen aber die Mittel für deine tolle Idee.«
»Am Anfang werden wir den Gürtel eben ein wenig enger schnallen müssen …«
Und du, mein Junge, könntest ja mal versuchen, etwas mehr zu arbeiten, dachte Hector. Aber das sollte ihm Sabine lieber selbst sagen. Und da sprach sie es auch schon aus: »Du könntest ein paar Stunden mehr geben!«
Aber ihr Mann starrte nur Hector an. »Sie sind es also, der ihr diese Idee in den Kopf gesetzt hat!«
»Es tut mir leid, dass Sie das denken, aber so war es ganz und gar nicht.«
»Tut mir leid, tut mir leid«, äffte Sabines Mann ihn nach. »Sie müssen ja auch nicht die Folgen tragen!«
»Beruhige dich doch, mein Schatz, der Doktor kann überhaupt nichts dafür …«
Aber ihr Ehemann beruhigte sich nicht. Er erinnerte Hector an ein kleines Kind, dem man die Nuckelflasche wegzieht.
»Sie wird unser ganzes Leben ruinieren, und Ihnen, Ihnen ›tut es leid‹!«
»Hören Sie bitte«, sagte Hector, »ich schlage vor, dass wir in aller Ruhe miteinander reden.«
»Sie mit Ihrem Psychiaterscheiß! Und wenn ich vielleicht keine Lust habe, in aller Ruhe mit Ihnen zu reden? Ich werde es nicht zulassen, dass man unsere Familie kaputt macht!«
»Hör doch auf, ich muss mich wirklich für dich schämen.«
Sabine schaute ihren Mann entnervt an, und plötzlich wurde Hector klar, dass der Ärmste noch nicht ahnte, dass ihn hinter der nächsten Kurve womöglich noch eine andere große Veränderung erwartete.
»Das lasse ich Ihnen nicht so einfach durchgehen«, sagte Sabines Mann. »Ich werde Sie vor der Ärztekammer verklagen. Und eines sollten Sie wissen – ich
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