Hector fängt ein neues Leben an: Roman (Hector Abenteuer) (German Edition)
wartet, und die beiden hier einander lieben lassen. Wer weiß, vielleicht würden sie eines Tages sogar heiraten. Stell dir bloß das dämliche Gesicht von Géraldine dabei vor!«
»Und warum tust du’s nicht?«
Robert holte tief Luft. »Weil es mir Angst macht! Ich habe schrecklichen Schiss davor. Eigentlich möchte ich am liebsten, dass mit Denise alles wieder so wird wie vorher. Dass wir uns auf unsere stille Weise lieben, dass wir gemeinsam alt werden. Aber ist das noch möglich? Was meinst du?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Aber vielleicht möchte sie im Grunde ja das Gleiche wie du.«
»Mag sein. Aber andererseits sage ich mir, dass es für uns beide eine einmalige Chance ist. Jeder von uns könnte ein neues Leben starten und vielleicht glücklicher werden. Aber mir ist auch klar, was ich für immer verlieren würde.«
»Zum Beispiel?«
»Eine Frau, die mich wirklich kennt und mit all meinen Fehlern liebt – oder zumindest geliebt hat. Nicht eine junge Frau, die meine Schokoladenseiten anhimmelt und die ich irgendwann zwangsläufig enttäuschen muss. Verstehst du?«
»Ja, sehr gut. Sogar ein bisschen zu gut …«
»Zu gut?! Wie meinst du das?«
Clara amüsiert sich gut
»Ich wollte einen ganz besonderen Ort kreieren«, sagte Gunther.
So besonders fand Clara den Ort gar nicht, aber wenigstens angenehm. Es war ein recht geräumiger Saal mit kleinen runden Tischen, die auf zwei Ebenen angeordnet waren. Die Wände zierten große Schwarz-Weiß-Fotos von New Yorker und Pariser Stadtlandschaften (Gunther hatte ihr erklärt, dass Cole Porter lange in Paris gelebt hatte), und es gab einen langen Tresen aus genieteten Blechen, an dem sie auf hohen Hockern im industriellen Stil saßen.
Die gedämpfte Beleuchtung war raffiniert gemacht, denn Gunther wirkte in diesem sanften Licht jünger – und sie selbst wahrscheinlich auch. Er erhob seinen Champagnerkelch.
»Auf unsere Wiederbegegnung«, sagte er mit seinem typischen Lächeln, das Clara sofort an seinen Spitznamen aus der Zeit erinnerte, als er noch ein wichtiger Boss gewesen war: smiling killer .
Es waren schon einige Gäste da, aber die Band, die heute spielen sollte, war noch nicht eingetroffen; man hörte nur Lounge-Musik aus neuerer Zeit. Die Kellner wirbelten zwischen den Tischen umher – oder eigentlich waren es, wie Clara bemerkte, lauter Kellnerinnen, die in ihren ultrakurzen schwarzen Röcken so schick wie provokant aussahen und lange, schwarz bestrumpfte Beine sehen ließen.
Der Barmann war ein schöner Latino um die vierzig, der Clara verschwörerische Blicke zuwarf, als wollte er sie willkommen heißen. Er sah ein bisschen aus wie Paolo Conte in jüngeren Jahren.
Vielleicht lag es am Champagner, aber Clara fand Gunther immer verführerischer. Er lehnte lässig am Tresen und sprach mit ihr über Jazz: In einem Klub müsse man die richtige Dosis von herkömmlichen Künstlern einsetzen, die allgemein gefallen und auch jene Touristen anziehen, für die zu einem New-York-Aufenthalt ein Jazzabend gehört. Aber gleichzeitig müsse man auch anspruchsvollere Musiker engagieren, damit der Klub seinen guten Ruf behält und die Musikkritiker der angesagten Zeitungen und Zeitschriften vorbeischauen.
Clara entdeckte in ihm den Gunther wieder, den sie in Erinnerung hatte – mit jener Mischung aus strategischem Sinn und Aufmerksamkeit für das Detail, die ihm in seiner früheren Karriere so zugutegekommen war und die er jetzt auf seine Leidenschaft, den Jazz, richtete.
Das war ein Mann, der Entscheidungen traf und selbst gewählt hatte, wie er leben wollte!
Gunther hatte ihr auch schon verraten, dass er seit einigen Jahren geschieden war – »on the road again« . »Ich bin so froh, dich wiedergetroffen zu haben!«, sagte er, wobei er plötzlich ins Französische und zurück zum Du übergegangen war. Von Neuem spürte Clara jene warme Woge, die Gunthers verliebter Blick zu ihr hinübersandte.
Und dann, ohne die Augen von ihr zu wenden, begann er zu singen: Let’s do it ! Er hatte seinen Cole Porter noch immer gut drauf und intonierte den Song perfekt mit seiner schönen Bassstimme.
Es war bezaubernd, aber Clara bezauberte es nicht allzu sehr, denn sie hatte das Gefühl, dass Gunther dieses Lied schon für andere Frauen gesungen hatte, dass es eine gut einstudierte Nummer war.
Und doch schien das Singen Gunther solche Freude zu bereiten und ihn an ihre glücklichen Stunden zu erinnern, dass Clara wider Willen bewegt war.
Gunther
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