Heerführer der Finsternis
den feineren Dingen kein Kostverächter mehr. Der Anblick der übervollen Tafel nahm einen guten Teil der Ungeduld von ihm, wenn ihm auch die Zubereitung nicht geheuer war.
Thonensen, der so lange Jahre an ugalienischen Fürstenhöfen gespeist hatte, und Mon’Kavaer, der die Freuden mancher Rittertafel kannte, wußten den Anblick wirklich zu würdigen, denn ihnen lief das Wasser im Mund zusammen.
Calutt, der Mon’Kavaer mit großer Neugier gefolgt war, beobachtete immer wieder verstohlen den Xandor, während er sich daran machte, Wasser in seinem kupfernen Kessel über ein Feuer zu hängen, das der Xandor mit einem Fingerschnippen entfachte, und das über dem nackten Stein brannte.
»Früher«, meinte der Xandor mitteilsam, »viel früher… damals, als ich hierherkam, war alles noch schwieriger. Ich mußte haushalten mit meinen Kräften. Ich war alles, was da war an Finsternis. Damals wäre ich nicht so… verschwenderisch gewesen. Aber mit der Zeit wurde das anders. Und heute ist die Welt so durchdrungen von dieser Kraft, daß ich nur in die Luft zu greifen brauche, um dies alles zu schaffen…«
»Ist es… wirklich?« fragte Thonensen. »Kein Trugbild?«
»Du kannst es riechen?« fragte Capotentil.
Der Sterndeuter nickte.
»Und sehen?«
»Die Augen«, erwiderte Thonensen, »sind am einfachsten zu täuschen.«
»Du kannst es essen. Und du wirst satt sein. Aber du hast auch recht. Wirklich ist, was der Verstand glaubt, nicht, was die Sinne ihn glauben lassen. Du magst auch an diesem Tisch hungern. Und selbst wenn die Sattheit nur eine Illusion bliebe… wären die erlebten Genüsse nicht Entgelt genug für diesen kleinen Betrug?«
In der Tat schmälerte der Gedanke, daß vielleicht alles nur ein Traum war, die Schlemmerei nicht im geringsten. Der Wein lockerte Zungen und Gemüter.
»Ich habe keine großen Erfahrungen mit den Freuden des menschlichen Lebens«, sagte der Xandor. »Was ich weiß, weiß ich aus den Erinnerungen Maen O’Tentils…«
»Er muß ein Schlemmer gewesen sein«, bemerkte Mon’Kavaer.
»Er war ein Priester«, berichtigte der Xandor.
»Er muß sehr vertraut mit den weltlichen Dingen gewesen sein«, berichtigte Mon’Kavaer.
»Man muß schließlich die weltlichen Dinge kennen, um ihnen entsagen zu können«, meinte Thonensen augenzwinkernd.
»Und er kannte sie alle!« rief der Xandor prahlerisch. »Diese hier!«
Edelsteine, Münzen und Gegenstände aus wertvollen Metallen häuften sich vor den Tafelnden.
»Oder diese!«
Mädchen in verführerischen Gewändern wiegten sich um die Tafel. Sie hatten Glöckchen an den Knöcheln und an den Handgelenken und Blumen an jenen Stellen, an denen das Pflücken die reine Freude war.
»Diese Mädchen aus dem Süden«, seufzte Mon’Kavaer, als sich die fröhliche Schar auflöste wie ein Traum. »Ich bin lange nicht mehr dort gewesen. Dieser dunkelhaarige Schmetterling mit den grünen Katzenaugen und…«
Capotentil unterbrach seine Schwärmerei. »Dir gefällt eine? Welche?«
Die Mädchen erschienen wieder, als tanzten sie aus einem Schleier hervor.
»Nimm sie dir!« forderte der Xandor ihn auf.
Mon’Kavaer griff nach einem der Mädchen, das mit einem hellen Lachen auf seinen Schoß glitt und die Arme um ihn legte. Unbekümmert küßte sie ihn, reichte ihm den Becher, trank selbst in tiefen Zügen und murmelte Zärtlichkeiten.
»Und ihr?« fragte der Xandor. »Wollt ihr nicht wählen? In den Erinnerungen ist alles da. Ihr werdet nichts entbehren.«
Aber Dilvoog hatte nichts im Sinn mit Frauen, um so mehr, als er einen Frauenkörper besaß.
Und Thonensen war über diese Freuden hinaus, wie er bei solchen Gelegenheiten zu sagen pflegte.
Und Nottr sagte: »Ich mag diese Dienerinnen der Liebe nicht.« Was bedeutete, daß ihm eine lorvanische Wildkatze lieber war. Eine wie Lella.
Calutt hatte nur ein müdes Lächeln für das Angebot. Er hatte seine heiligen Gelübde als Schamane zu wahren. Er würde die Kraft verlieren, mit den Toten zu palavern, wenn er sich einem Weib hingab.
»Wie ihr wollt.« Der Candor ließ die übrigen Mädchen verschwinden. »Da ist ein Gemach nebenan für diese Art von Erinnerungen.«
Mon’Kavaer hob das Mädchen hoch und stand auf. Sie schmiegte sich an ihn.
»Es ist lange her… sind’s zwei, drei Leben?… daß ich mehr als ein Schwert in den Armen hielt. Und dieser Körper, den ich der Finsternis genommen habe mit eurer Hilfe, Freunde, denkt nicht anders.«
»Wenn’s die Welt zu retten gilt,
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