Heidegger - Grundwissen Philosophie
diese Synthesis ist eben die ontologische Synthesis, in der das faktische Seinsverständnis des alltäglichen In-der-Welt-Seins als eine »ontologische Voraussetzung für das indifferente ›ist‹ der Aussage« zum Ausdruck kommt.
Anders als bei Kant, bei dem das »Verhältniswörtchen ist« im Urteil die Vermittlung zwischen den beiden Relata leistet und »die ursprüngliche Apperzeption und die
notwendige Einheit
derselben« 23 bezeichnet, bezieht sich bei Heidegger das »ist« also nicht auf das »Ich denke«, das innerhalb der [68] Transzendentalphilosophie als der »höchste Punkt« galt – an dem Kant nicht nur »allen Verstandesgebrauch«, sondern »selbst die ganze Logik, und, nach ihr, Transzendentalphilosophie« 24 aufhängen wollte –, es bezieht sich vielmehr auf eine Einheitsform, die Heidegger als die »hermeneutische Grundstruktur des Daseins« bezeichnet.
So verstanden, ist dann »das ›ist‹ nicht ein Verbindungsbegriff, weil es als Kopula im Satz fungiert, sondern umgekehrt, es ist Kopula, Verbindungswort im Satz, weil sein Sinn im Ausdrücken von Seiendem Seiendes meint und das Sein des Seienden durch das Beisammen und die Verbundenheit wesenhaft bestimmt ist. Es liegt […] in der Idee des Seins so etwas wie Verbundenheit, ganz äußerlich genommen, und es ist kein Zufall, daß das ›ist‹ den Charakter der Kopula erhält. Nur ist dann die Charakterisierung des ›ist‹ als Kopula keine phonetische und keine wörtliche, sondern eine rein ontologische, verstanden aus dem, worüber die Aussage Aussage ist.« (GA 25, 302f.)
Heidegger stellt also die Kantische Prädikationstheorie gar nicht in Frage. Diese wird vielmehr als unproblematisch vorausgesetzt und durch ein synthesistheoretisches Erschlossenheitskonzept untermauert. Heidegger begnügt sich damit, die prädikative Synthesis auf die Als-Struktur als die »hermeneutische Grundstruktur des Daseins« zurückzuführen (GA 21, 207), womit nun zwar gegenüber der Kantischen Prädikationstheorie ein Fundierungsanspruch angemeldet ist, womit aber nicht die Frage beantwortet ist, ob sich das hermeneutische Verstehen und die Aussage überhaupt auf der Basis der Synthesistheorie verstehen lassen.
Zwar sagt Heidegger selbst, daß »man die Phänomene Aussage – Aufweisung – Bestimmen-als u. s. f. nicht ergriffen hat, wenn man sie mit Synthesis charakterisiert und es dabei als erstem und letztem Charakteristikum bewenden läßt«, da die »formal verstandene Synthesis als […] Struktursinn des λóγσς [logos]« genommen, die »Möglichkeit verbaut, Bedeutung, Verstehen, Auslegen und im weiteren dann auch Sprache zu [69] verstehen« (GA 21, 161). Anstatt aber die Prädikation von der Idee der Synthesis zu entkoppeln, geht Heidegger daran, sie ontologisch zu fundieren. Denn für ihn steht fest, daß das »Phänomen der
Copula
« schon deshalb zum Thema einer »ontologischen Interpretation« werden muß, weil allein die Synthesis das »Fundament« der »Aussagenwahrheit« ist. (GA 21, 136)
Daß das »Phänomen der
Copula
« ontologisch interpretiert werden muß, hängt unmittelbar mit der Exposition der Seinsfrage zusammen, insofern Heidegger ja in
Sein und Zeit
und später dann in seiner Freiburger Antrittsvorlesung
Was ist Metaphysik?
davon ausgeht, daß dem »ist« eine einheitliche und universelle Bedeutung zukommt – was er freilich nie gezeigt hat. Und eben durch diese ontologische Interpretation der Kopula im Sinne der Synthesis wird die Kopula zur Basis des Verstehens selbst.
Obgleich Heidegger nie gezeigt hat, daß alles Verstehen, mithin auch alles Satzverstehen, von einem »ist« im Sinne dieser einheitlichen und universellen Bedeutung getragen ist, was einschließen würde, daß »wir alle Sätze
ohne
ein […] ›ist‹ in einen Satz mit einem solchen übersetzen können«, geht er davon aus, daß das Sein einen universellen Orientierungspunkt philosophischen Fragens darstellt und daß in »dem ›ist‹ etwas zu finden sei, was alles unser Verstehen möglich macht« 25 . Und unterstellt, dies ließe sich tatsächlich zeigen, unterstellt also, eine ontologische Interpretation der Kopula führt zu dem Ergebnis, daß dem »ist« eine einheitliche und universelle Bedeutung zukommt – was natürlich voraussetzen würde, daß die Bedeutungen von »ist« im Sinn der Kopula, der Identität, der Existenz oder das veritative »ist« sich wirklich einheitlich verstehen lassen –, dann erst wäre auch die These wirklich
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