Heidegger - Grundwissen Philosophie
umsichtigen Auslegung zum Als der Vorhandenheitsbestimmung ist« nach Heidegger »der Vorzug der Aussage« (SZ 158), gegen die er das »praktische Besorgen« aufbietet.
Das »praktische Verhalten«, das »Besorgen« entdeckt innerweltlich Seiendes als Zuhandenes aufgrund der »Vorentdecktheit einer Bewandtnisganzheit«. Die durch das praktische Besorgen vorentdeckte Bewandtnisganzheit hat einen holistischen Zuschnitt und birgt »in sich« einen ontologischen Bezug zur Welt. Folglich muß das Entdecken und daher auch die Aussage in der Erschlossenheit gründen und nicht umgekehrt. Wenn die Welt des Vorhandenen und deren Korrelat, die theoretische Betrachtung, nur ein Rudiment einer ursprünglicheren und reicheren Welt ist und wenn die Theorie aus der »Umsicht« und nicht die »Umsicht« aus der Theorie entspringt, dann ist auch jede Entdeckung von innerweltlich Seiendem nur auf der Basis einer Erschlossenheit zu verstehen. Durch die und mit der Nivellierung des »ursprünglichen ›Als‹ der umsichtigen Auslegung zum Als der Vorhandenheitsbestimmung« besteht überhaupt erst die Möglichkeit, das Vorhandene gegen alles Vermittelte abzudichten.
Diese Orientierung am Vorhandenen kann nun zwar ein »Zusammenvorhandensein« von mehreren Dingen, Personen, ja selbst Worten konstatieren, nicht aber die Abkünftigkeit der Aussage von der Auslegung und vom Verstehen deutlich machen. Sie kann mithin nicht erklären, wie die »›Logik‹ des λόγσς in der existenzialen Analytik des Daseins verwurzelt ist« (SZ 160). Weil die Grammatik ihr Fundament in der Logik dieses Logos suchte, dieser jedoch in der Ontologie der Vorhandenheit gründet, wurde die Rede an der Aussage orientiert. Das hat eine verhängnisvolle Folge: Das Seiende, das dieser Logos aufzeigt, nimmt, wie der Logos selbst, den restriktiven Sinn von Vorhandenheit an. Das heißt aber, der »Sinn von Sein bleibt selbst indifferent unabgehoben gegenüber anderen Seinsmöglichkeiten« (SZ 160). Die Restriktion des Sinns auf den Bereich der Präsenz, der von Heidegger [75] mit dem Vorhandenen gleichgesetzt wird, ereignet sich in der abendländischen Metaphysik als Herrschaft der sprachlichen Form, die in der »mitteilenden Aussage« ihren Ursprung hat.
Schon in Heideggers Interpretation von Platons
Sophistes
im Wintersemester 1924/25 heißt es: »Alle unsere grammatischen Kategorien, auch die aller heutigen wissenschaftlichen Grammatik – indogermanische Sprachforschung usw. – sind wesentlich bestimmt durch diese theoretische Logik, so sehr, daß es fast hoffnungslos erscheint, das Phänomen der Sprache frei von dieser traditionellen Logik zu verstehen. Es besteht aber
die Aufgabe, die Logik einmal viel radikaler zu fassen, als es den Griechen gelang, und auf demselben Wege zugleich ein radikaleres Verständnis der Sprache selbst und damit auch der Sprachwissenschaften auszuarbeiten
.« (GA 19, 253) Heidegger, der die gesamte traditionelle Sprachlogik als Korrelat der zu destruierenden Ontologie der Vorhandenheit betrachtet, möchte von der in dieser Ontologie privilegierten gegenständlichen Sprachauffassung loskommen, die auf die Wahrheitsgeltung assertorischer (d. h. behauptender) Sätze spezialisiert ist. Im Gegenzug zum »Logozentrismus« will er die Grammatik von dieser Logik befreien und auf ontologisch tieferliegende Fundamente bauen. Bereits im Literaturbericht
Neuere Forschungen über Logik
hat Heidegger auf den »Unterschied von grammatischem Satz und logischem Urteil« aufmerksam gemacht und davor gewarnt, die »Logik an der Grammatik zu orientieren«. Hat er seinerzeit jedoch die »Gebietsfremdheit von Logik und Grammatik« (GA 1, 32) noch auf der Basis einer »an Kant orientierten Logik« zu lösen versucht, so sollen nun gegenüber einer solchen Logik ontologische Fundamente aufgewiesen werden, die dieser vorausliegen. Dabei weist die Auslegung des alltäglichen In-der-Welt-Seins über den Bereich der Grammatik hinaus und führt über die Aufdeckung der Vorurteilsstruktur des Verstehens auf die Hermeneutik der Faktizität zurück, die Heidegger in der Auseinandersetzung mit dem Ideal der »Voraussetzungslosigkeit« entfaltet.
[76] Der § 34 von
Sein und Zeit
kann als der Versuch betrachtet werden, die Grammatik durch die Umlegung auf ontologisch ursprünglichere Fundamente von dieser Logik zu befreien. Dazu muß die logische Frage nach der Aussage in die existenzialontologische Frage nach dem »Sinn von Sein« transformiert werden. Denn jener
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