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Heidegger - Grundwissen Philosophie

Heidegger - Grundwissen Philosophie

Titel: Heidegger - Grundwissen Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Tietz
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Bewußtseins, das die Welt nach seinem Bild entwirft. Indem Heidegger in
Sein und Zeit
alle Bewußtseinsphänomene als [72] abgeleitete Handlungsphänomene deutet, vollzieht er die Ablösung der Bewußtseinsphilosophie zugunsten eines konsequenten »Pragmatismus der Lebenswelt« 29 . Der damit implizierte Übergang vom Bewußtsein zum Handeln, der freilich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts bereits in der Luft lag, insofern auch im Marxismus, im Pragmatismus, in der Lebensphilosophie und innerhalb der Phänomenologie selbst eine Reihe antiidealistischer Kontrastbegriffe aufgeboten wurde, um eine verhimmelte Vernunft in die Lebenswelt zurückzuholen und in pragmatischen Handlungskontexten zu situieren, gehört durch seine Radikalität und Konsequenz zu den bemerkenswertesten.
    Heidegger erkennt, daß an der Unauflöslichkeit der widerspenstigen Kontingenz, die auszuscheiden sei, um den »Anspruch der eigenen Reinheit nicht zu gefährden«, der »falsche Ansatz der Identitätsphilosophie zutage [tritt]: daß die Welt nicht als Produkt dieses Bewußtseins gedacht werden kann« 30 . Anders als Husserl, der die Not der Kontingenz des Faktischen in die Tugend der Reinheit der Idee umdeutet und auf diese Weise den Relativismus nur um den Preis des Absolutismus überwinden kann, bemerkt Heidegger, daß das praktische Verhalten »nicht ›atheoretisch‹ im Sinne der Sichtlosigkeit« ist. Es hat seine eigene, seine praktische »Sicht«. (SZ 69)
    Die praktische Sicht setzt er gegenüber der theoretischen als originär an. Zum »Worüber« der aufzeigenden Aussage wird das »zuhandene Womit des Zutunhabens« erst durch eine existenzial-ontologische Modifikation der umsichtigen Auslegung. Durch diese Modifikation wird die »Hinsicht« entsubjektiviert und das Zuhandene als Zuhandenes verhüllt. Diese Verhüllung ist nach Heidegger die Ursache der entdeckendverdeckenden Bestimmung der Vorhandenheit in ihrem »So-und-so-Vorhandensein«. Denn gerade durch die das Primat der Praxis suspendierende Orientierung am Vorhandenen ist das »an sich« als ontologisch-kategoriale Bestimmung des Seienden qua Vorhandenheit nicht aufzuklären. Gerade durch dieses das Primat der Praxis gegenüber der Theorie [73] suspendierende Verhalten wird das in Gang gesetzt, was Heidegger das »
Sich-nicht-melden
der Welt« (SZ 75) nennt. Auf diese Weise wird das Allernächste zum Signum des Allerfernsten.
    Erst durch diesen Perspektivenwechsel, einen Wechsel von der Position des aktiven Teilnehmers zu der des interesselosen Beobachters inklusive der mit diesem Perspektivenwechsel zusammenhängenden objektivierenden Einstellung, die in den der lebensweltlichen Praxis nachgeordneten Wissenschaften ihren reinsten Ausdruck finden soll, wird eine Eigenschaft, als welche die Aussage das »Was« des Vorhandenen bestimmt, an einem Vorhandenen fixierbar und kommunizierbar. Und zwar deshalb, weil hier ein Ganzes aus seinem Bewandtniszusammenhang herausgelöst und von seinen Verweisungsbezügen getrennt wird. Mit dieser Herauslösung eines Ganzen aus seinem Bewandtniszusammenhang ist eine Nivellierung des hermeneutischen Logos der umsichtigen Auslegung zum urteilslogischen Logos der Aussage verbunden. Diese Nivellierung läßt sich schon für die traditionelle Ontologie nachweisen, und zwar insofern sich bereits Aristoteles
    »am Begriff des logos – genauer, des logos apophantikus, des Aussagensatzes – orientierte. Diese Orientierung am Aussagensatz hing (zwar schon) mit einer Thematisierung des ›ist‹ zusammen. Aristoteles’ Interpretation aller (singulären) prädikativen Sätze mit einem verbalen Prädikat (z. B. ›Peter schwimmt‹) als Sätze mit Kopula und Partizip (z. B. ›Peter ist schwimmend‹) impliziert, daß er mit der Kopula die indikativische Verbalform überhaupt bzw. die Form der Zusammensetzung der prädikativen Sätze meint. Dieser Ausblick auf die Satzform kam allerdings nicht zum Tragen, da das Interesse sich sogleich auf das ›Seiende‹, die prädikativen Inhalte richtete. Vor allem blieb wegen der Orientierung auf das ›Seiende‹ die singulär prädikative Satzform die einzige, die in der Ontologie überhaupt berücksichtigt wurde, und auch dieser Satz selbst wurde, teils wegen der Orientierung am ›ist‹, teils wegen der Ausrichtung auf Bestimmungen von Gegenständen, einseitig als Zusammensetzung aus singulären Terminus und Prädikat interpretiert.« 31
    [74] »Diese Nivellierung des ursprünglichen ›Als‹ der

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