Heidelberger Lügen
dann kann er doch wohl was davon abgeben und seine gottverdammten Schulden bezahlen! Mehr wollte ich doch nicht! Er sollte mir nur geben, was er mir schuldet! Ist das ein Verbrechen?«
»Darüber wird der Richter entscheiden. Ich vermute, Kriegel hat die Sache etwas anders gesehen als Sie.«
»Der?« Er brachte etwas wie ein kaltes Lachen zu Stande. »Überhaupt nichts hat der gesehen!« Die Stimme wurde wieder leiser. Er wandte den Blick ab, griff sich an die Brust und hustete wieder. »Es war gar kein Problem, in das Hotel zu kommen. An der Rezeption ist keiner gewesen, in welchem Zimmer Sören steckte, wusste ich. Ich hatte ihn von draußen gesehen, am Fenster, als er die Vorhänge zuzog. Ich war so wütend, habe die Tür aufgerissen, dachte, wenn er sich ordentlich erschreckt, dann ist er vielleicht friedlich. Und wissen Sie, was los war?« Beerbaum beugte sich vor und sah mich aus glasigen Augen empört an. »Im Bett haben die zwei gelegen miteinander! Und zwar voll bei der Sache! Hübsche Art, ein Geschäft zu besiegeln, dachte ich noch, und dann ist Sören auch schon durchgedreht. Splitterfasernackt geht dieser Idiot auf mich los, fängt an, auf mich einzudreschen. Die Frau kriegt die Panik, rafft ihr Zeug zusammen und ist im Nu verschwunden. Mit Sörens Koffer, das habe ich gerade noch gesehen. Aber das war mir in diesem Augenblick völlig egal. Ich wollte ja Sören, und den hatte ich, und zwar am Hals. Buchstäblich, und …«
Schon wieder schüttelte ihn dieser Husten. Sein Gesicht war plötzlich krebsrot. Ich begann, mir Sorgen zu machen um Beerbaum. Hoffentlich hielt er bis zum Ende durch.
»Wie ging es weiter?«, fragte ich, als Beerbaum wieder zu Atem kam.
»Auf einmal hat er mich losgelassen und angefangen zu lachen. Für wie blöd ich ihn eigentlich halte, hat er gefragt und sich ganz gemütlich angezogen. Er hatte nämlich schon am ersten Tag gemerkt, dass wir ihn beobachten, hat er mir noch grinsend erklärt. Und dann ist er gegangen. Einfach gegangen. Hat mich da stehen lassen wie den letzten Idioten. Und ich wusste doch, das Geld muss da irgendwo sein. Die Frau ist ja nach Sören angekommen, sie hatte einen Aktenkoffer dabei, und den habe ich später nicht mehr gesehen. Ich bin jetzt noch überzeugt, da war das Geld drin. Keine Ahnung, wie Sören das gedreht hat. Keine Ahnung, was aus dem Koffer geworden ist.«
»Der liegt zurzeit im Safe der Polizeidirektion.«
Mein Handy trillerte. Erschrocken sah Beerbaum in Hörrles Videokamera. Panik flackerte in seinem Blick.
»Das sind vermutlich meine Töchter«, erklärte ich Hörrles Gerät. »Sie sind allein zu Hause und wollen wissen, wo ich bleibe.«
Die Antwort kam erst nach Sekunden. Wieder fiel mir auf, dass Hörrle eine weiche, gar nicht zu seinem grobschlächtigen Körper passende Stimme hatte. »Okay. Ich hab die Nummer gecheckt. Aber nicht vergessen, ich höre alles mit. Also keine Tricks!«
Im Hintergrund waren Geräusche, Summen und Rauschen. Aber das Gespräch war zu kurz, als dass ich es hätte deuten können.
»Paps?« Sarahs Stimme klang beunruhigt.
»Was ist? Es passt jetzt ziemlich schlecht.«
»Kommst du heute gar nicht mehr? Wir haben jetzt wirklich Hunger. Und im Kühlschrank ist nichts!«
Ich stöhnte auf. »Ich kann nichts dafür. Es ist schwierig. Geht irgendwo essen. Ich bezahle. Es ist wirklich schlecht im Augenblick.«
»Wir dürfen uns Geld nehmen?«
»Übertreibt es aber nicht. Eine Pizza für jede oder eine Portion Spaghetti und was zu trinken dazu.«
Sie schien befriedigt. »Okay. Wir gehen mit Sven. Er kennt einen Türken in Neuenheim. Der soll einen echt klasse Döner machen. Wird sogar billiger als Pizza.«
»Was habt ihr sonst so getrieben heute?«
»Och«, erwiderte sie gedehnt. »Ferngesehen. Einen alten Film in schwarz-weiß haben wir geguckt. War langweilig. Nur ein paar Leute, die dauernd gequatscht haben. Und der Ton war auch ganz schlecht. Echt öde.«
»Wo genau ist dieser Türke?«
Ich hörte, wie sie im Hintergrund mit jemandem sprach.
»Mönchhof-, Ecke Werderstraße, sagt Sven.«
»Aber dass ihr nicht zu viel Cola trinkt!«
Demonstrativ seufzend steckte ich das Handy wieder ein. Nicht übel für eine Vierzehnjährige. Sarah war gerissener, als ich mir hätte träumen lassen. Durch dieses Telefonat hatte ich einiges darüber erfahren, wie es draußen aussah. Offenbar war es meinen Leuten schon gelungen, Hörrle anzupeilen. Sie hatten seine Position geortet. Und außerdem zapften sie
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