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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Telefon abgehört hat? Dann wusste er, dass Grotheer Besuch bekommt.«
    Irgendwo im Haus tobte eine Horde Kinder einen Flur entlang. Der Lift verschwand summend in der Tiefe.
    Mir fiel auf, dass der Hausmeister ständig Abstand zur gegenüberliegenden Wohnungstür hielt und niemals dort hinsah. So, als wollte er sie nicht unnötig in Erinnerung bringen.
    »Wir dürfen uns doch da drin mal ein bisschen umsehen?«, fragte ich in einem Ton, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.
    Augenblicklich schüttelte er den Kopf. »Nicht, solange Sie keinen Durchsuchungsbefehl haben.«
    Es war offensichtlich, dass er die Antwort schon parat gehabt hatte. Ich bat die beiden anderen, unten beim Wagen auf die Spurentruppe zu warten, die jeden Moment kommen musste. Nachdem sie weg waren, wandte ich mich an den Hausmeister.
    »Nehmen wir mal an, das Dach wäre undicht geworden, und Sie müssten die oberen Appartements kontrollieren, ob es reingeregnet hat. Das dürften Sie doch, nicht wahr?«
    »Das Dach ist nicht undicht. Das ist vor zwei Jahren erst gemacht worden.« Seine Miene wurde unruhig, er begann den Braten zu riechen. »Es hat auch nicht so viel geregnet, die letzten Wochen.«
    »Ein Gewitter. Stellen Sie sich vor, es hätte letzte Nacht einen Wolkenbruch gegeben. Dann wäre es doch Ihre Pflicht nachzuprüfen, ob alles in Ordnung ist. Vor allem bei Wohnungen, die leer stehen, natürlich.«
    Ich zauberte einen Fünfziger aus der Tasche meines Jacketts. Seine Hand bewegte sich darauf zu wie von einem Magneten angezogen. Mit deutlichem Widerwillen nahm er den Schein an sich, um ein Haar hätte er geseufzt über die Schlechtigkeit der Welt. Er fummelte seinen Schlüsselbund aus den Tiefen der Hosentasche, nestelte noch eine Weile unschlüssig daran herum.
    »Die Heizung«, sagte er dann entschlossen und wandte sich zur Tür. »Vorgestern haben wir ’nen Rohrbruch gehabt, unten im dritten Stock. Und da sollte ich schon mal gucken, wie’s hier oben aussieht. Ich geh aber mit rein, okay? Und falls wer kommt, dann …« Er schloss auf.
    »Dann bin ich der Klempner«, ergänzte ich beruhigend. Beim Eintreten sah ich mir das Türschloss genauer an. Winzige Kratzer glitzerten, wenn man die Tür im richtigen Winkel zum Licht drehte. So, als ob jemand daran herumgebastelt hätte. Jemand, der kein Profi war im Knacken von Sicherheitsschlössern.
    Man erkannte auf den ersten Blick, dass die Geschäfte der Firma gut gingen. Ich hatte eine zweckmäßige, vielleicht sogar karge Einrichtung erwartet. Aber die Wohnung machte auf mich den Eindruck, als ob eine Frau sie mit Liebe und Geschmack eingerichtet hätte. Warme Rot- und Brauntöne herrschten vor. Große moderne Gemälde an den Wänden harmonierten bestens mit den gemusterten Bezugsstoffen der Sitzgruppe. Hier liebte jemand die Toskana. Auch das Schlafzimmer sah nicht aus, als sollte es nur durchreisenden Mitarbeitern eine praktische Übernachtungsmöglichkeit bieten. Der Schnitt der Wohnung war genau spiegelbildlich zur gegenüberliegenden.
    »Und hier ist wirklich die meiste Zeit kein Mensch?«, fragte ich nach einem ersten flüchtigen Rundgang. »Eine Schande, was?«
    Er wich meinem Blick aus.
    »Falls doch mal jemand kommt, was sind das für Leute, die hier wohnen?«
    »Ich seh die ja praktisch nie«, erklärte er mit Leidensmiene. »Verstehen Sie, die fahren in die Tiefgarage und mit dem Lift rauf, und …«
    »Und falls Sie doch mal, rein zufällig natürlich, jemanden zu Gesicht bekommen?«
    »Also …« Er senkte den Blick. Er war ein schlechter Lügner. »Eigentlich …«
    »Wir sind unter uns. Ich bin verschwiegen wie ein Grab.«
    Er quälte sich. Aber er schwieg. Ich wechselte die Verhörtaktik. Einfache Fragen, die man mit einfachen Kopfbewegungen beantworten konnte.
    »Sind es immer dieselben?«
    Er nickte traurig.
    »Männer?«
    Er wiegte den Kopf.
    »Frauen?«
    Der Kopf wackelte immer noch.
    »Männer und Frauen?« Endlich begriff ich. »Ein Mann und eine Frau?«
    Sein Nicken war kaum merklich. Der Bursche war wirklich ungeheuer verschwiegen.
    »Das hier ist ein Liebesnest, was? Entschuldigen Sie, ich bin heute ein wenig schwer von Begriff.«
    Dieses Mal nickte er heftiger.
    Ich gönnte ihm eine Pause. »Könnte ja sein, dass bei dem Rohrbruch da drin was nass geworden ist, nicht wahr?«
    Ich öffnete die verspiegelten Türen der Schlafzimmerschränke. Die Fächer waren so gut wie leer. Zwei Garnituren Damenunterwäsche von der raffinierten und teuren

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