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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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in eine Ausnüchterungszelle sperren und beschloss, ihn mir gegen Abend vorzuknöpfen. Die beiden Uniformierten, die ihn abgeliefert hatten, berichteten stolz, er habe keinerlei Widerstand geleistet und die beiden Morde bereits gestanden.
    Sonja Walldorf, Sönnchen, hatte inzwischen dafür gesorgt, dass meine Töchter standesgemäß im Streifenwagen von der Schule abgeholt wurden. Plötzlich war die Welt wieder schön. Der Druck war weg. Sogar Vangelis strahlte, und beim Essen hätten wir am liebsten im Chor gesungen. Selbst die Laune der Zwillinge schien sich aufgehellt zu haben.
    Das Ende des Nachmittags konnte ich kaum abwarten. Irgendwann meldeten sich die Spurensicherer vom Emmertsgrund zurück. Es hatte sich gelohnt: An der Tür der geheimnisvollen Wohnung hatte tatsächlich jemand ebenso dilettantisch wie erfolglos herumgebastelt, der Anschlusskasten der Telekom im Keller war kürzlich geöffnet worden, an den Drähten, die zu Grotheers Telefon gehörten, fanden sich winzige Kratzspuren, die darauf hindeuteten, dass jemand den Anschluss angezapft hatte. Und das Schönste war, in der Ecke hinter dem Aufzug, wo der Mörder auf Gardener gewartet hatte, hatten sie zwei kurze graue Haare gefunden. Die DNA-Analyse war bereits in Arbeit. Plötzlich ging es an allen Fronten voran. Endlich.
    Um halb sechs ließ ich Georg Simon wecken und auf den Stuhl im Vernehmungszimmer setzen, gleichgültig, wie betrunken er noch war. Heute waren wir zu viert: Vangelis, Balke und ich würden das Verhör führen, Runkel musste die Technik bewachen.
    Simon sah erschöpft aus, roch wie eine Whiskybrennerei, machte aber ansonsten einen nicht ungepflegten Eindruck. Er mochte zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt sein. Die langen grauen Haare hatte er im Nacken mit einem Gummiband zu einem Schwänzchen zusammengebunden. Stoppeln im faltigen Gesicht verrieten, dass die letzte Rasur schon einige Tage zurücklag. In der Zwischenzeit hatte Balke den Personalausweis unseres Verdächtigen mit den Kopien verglichen, die der Bank und dem Makler vorlagen. Es gab keinen Zweifel, Georg Simon war der verschwundene Hausmeister aus der Klinik. Georg Simon war unser Mann.
    Asthmatisch schnaufend hockte er vor uns und stierte uns aus kleinen grauen Augen neugierig an. Er sah nicht so aus, wie ich mir den Mörder von Professor Grotheers Kindern vorgestellt hatte. Aber welcher Mörder sieht schon so aus, wie man es erwartet hat?
    Ich ließ ihm einen Kaffee bringen und begann mit den üblichen Fragen zur Person. Er war nicht gerade gesprächig, tischte mir aber auch keine Märchen auf. Sein Ton klang gelangweilt, fast routiniert. Dies schien nicht das erste Verhör seines Lebens zu sein.
    Zu meiner Erheiterung behauptete er, Student zu sein, und präsentierte zum Beweis einen abgewetzten Studentenausweis sowie eine Chipkarte für die Mensa. Nach seiner eigenen Schätzung war er im fünfunddreißigsten Semester.
    Ich kam zur Sache. »Seit Anfang März haben Sie im chirurgischen Uni-Klinikum als Hausmeister gearbeitet, richtig?«
    Er musterte mich misstrauisch und schwieg.
    »Aber die letzten zehn Tagen sind Sie nicht mehr zur Arbeit erschienen. Warum?«
    Er schwieg immer noch. Das fing ja gut an.
    »Herr Simon, Sie verstehen meine Fragen?«
    Er hustete und zog die Nase hoch. Dann öffnete er endlich den Mund.
    »Wat soll’n dett jetzt?«, maulte er. »Ick hör immer nur Hausmeister! Wat soll’n dett, Mann? Seh ick etwa aus wie’n Hausmeister? Student bin ick, habt ihr dett nicht jeschnallt?«
    »Andere Frage: Sie wohnen in einer Dreizimmer-Wohnung in Eppelheim …«, ich suchte die Adresse, »in der Carl-Benz-Straße, richtig?«
    »Ick hör immer nur Wohnung! Eppelheim? Seh ick etwa aus wie einer, der ’ne Wohnung in Eppelheim hat, Mann?«
    Seufzend fiel ich zurück. »Herr Simon, machen Sie die Sache doch nicht komplizierter, als sie ist.«
    »Wat soll’n der ganze Stress bloß? Okay, ick hab jesoffen. Büschen Krakeel gemacht, auch okay. Eure Jungs harn mich hopsgenommen, von mir aus, ist ja ihr Job. Aber jetzt bin ick doch wieder klar, jetzt könnt ihr mir doch wieder loofen lassen, Leute! So wie wir dett sonst auch immer machen. Ick mach auch keinen Stress mehr, versprochen. Wegen paar Bierchen müsst ihr einen doch nicht gleich hier … mit Verhaftung und Vernehmung und großem Tamtam! Macht ihr doch sonst nicht so!«
    Wir wechselten Blicke. Simon verlegte sich aufs Betteln:
    »Ick werd auch ganz brav sein, okay? Ist doch jar nischt passiert,

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