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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Regal, in dem ich meinen bescheidenen Hausrat verstauen konnte.
    Später versuchte ich, zur Wiedergutmachung eine Runde Monopoly mit ihnen zu spielen. Aber ich konnte mich nicht konzentrieren, hätte bereits nach einer Stunde wegen Konkursverschleppung angezeigt werden müssen und saß die meiste Zeit im Gefängnis.
    Endlich klingelte mein Handy. Es war Fitzgerald Gardener.
    »Es gibt da eine Sache, die Sie vielleicht wissen sollten«, sagte er. Ich hörte an seinen ersten Worten, wie unwohl er sich fühlte. »Ich weiß ja nicht, warum das so wichtig ist, aber Sie haben mich immer wieder danach gefragt und … Es geht um Mom. Es ist … Fuck, ich mach das jetzt echt nicht gern!«
    Ich fürchtete, er würde auflegen. »Schießen Sie los«, sagte ich schnell. »Was immer es ist, es bleibt unter uns.«
    »Sie darf auf keinen Fall erfahren, dass ich … Sie hat ja nicht mal ’ne Ahnung, dass ich davon weiß. Aus irgendeinem Grund macht sie ein Riesengeschiss um das Ganze.«
    Ich versprach nochmals absolute Diskretion.
    »Sie kriegt Geld. Irgendwer überweist ihr Geld. Jeden Monat.«
    »Wer?«
    »Es kommt von einer Firma.«
    »Von einer Firma?«
    »Einer Firma auf Jersey oder Guernsey. Den Namen hab ich vergessen.«
    »Vielleicht Marvenport and Partners?«
    »Könnte sein. Doch, das könnte sein.«
    Ich legte das Handy auf den Tisch und erklärte meine Kapitulation. Die Mädchen räumten enttäuscht das Spiel weg und verschwanden in ihrem Zimmer. Sekunden später wummerte Gangsta Rap durch die geschlossene Tür.
    Mein Kopf schwirrte, im Bauch schlug die Sahnetorte Purzelbäume. Überlegungen wirbelten haltlos durch mein Hirn. Hypothesen verflogen so rasch, wie sie aufgetaucht waren. Alles wurde immer wirrer statt klarer. Was hatte nun wieder Helen Gardener mit dieser Firma zu tun?
    Die Zwillinge gingen mir auf die Nerven. Alle fünf Minuten kamen sie mit einer Frage oder einer Beschwerde. Um elf schickte ich sie auf ihre Isomatten und begann, Runden durch die Küche zu drehen, die inzwischen zum wohnlichsten Ort unserer neuen Behausung geworden war.
    Krahls Frau war nachts gegen zwei Uhr gestorben, hatte ich in den Akten gelesen. Er selbst hatte Nachtdienst gehabt und sie erst am nächsten Morgen gefunden. Wenn er sich an seinen Zeitplan hielt, dann blieben noch zwei Stunden, bis es Ernst wurde. Ich musste mich zwingen, meine Wachtruppen nicht alle zehn Minuten anzurufen. Wenn er sich an seinen Plan hielt. Balkes Überlegung fiel mir wieder ein, wie Krahl sein Vorhaben wohl praktisch umsetzen könnte. Wie er Frau Grotheer dazu bringen wollte, das Gift zu sich zu nehmen, falls es ihm überhaupt gelang, unbemerkt in das Haus einzudringen.
    Das Handy klingelte. Es war Vangelis, die mir nur mitteilte, dass sie in Neuenheim spazieren ging und sich langweilte. Sie war gar nicht zur Wache eingeteilt, hielt aber die Warterei ebenso wenig aus wie ich. Ich widerstand dem Impuls, ihr Gesellschaft zu leisten. Zu viel Betrieb auf den nächtlichen Straßen rund um das Haus der Familie Grotheer würde auffallen.
    So streunte ich weiter durch die Wohnung, räumte in der Küche herum, hängte das kleine Glas-Regal auf, das ich am Nachmittag geholt hatte, und stellte die Dinge hinein, die schon zu Hause darin gestanden hatten. Nutzloser Kram, der sich im Lauf vieler Ehejahre angesammelt hatte. Ein Mörser aus Marmor, den man zu nichts anderem brauchen konnte als dazu, ihn hin und wieder abzustauben, angestoßene Tassen vom Trödelmarkt in Arles, ein Miniatursaxophon aus New Orleans, ein getrockneter Krebs von der französischen Atlantikküste. Schließlich beschwerten sich die Mädchen, dass sie wegen meines Radaus nicht schlafen konnten.
    Wie hing das alles zusammen? Was hatte Grotheer mit dieser geheimnisvollen Firma zu tun? Und warum bezahlte die Unterhalt an Helen Gardener? Und sollte Balke am Ende Recht haben, hinterzog er tatsächlich Steuern? Professor Franz Grotheer, der Wohltäter der Menschheit, das leuchtende Vorbild, die weithin bewunderte moralische Autorität, eines der letzten Bollwerke gegen den endgültigen Verfall der Sitten? Und zwar nicht nur ein paar Tausender, sondern Millionenbeträge?
    Lange starrte ich aus dem Fenster in die sternklare, windige Nacht. Die Bäume draußen wiegten sich im Wind. Mit einem Mal konnte man glauben, dass nun bald der Herbst kam. Ich setzte mich auf einen der wackeligen Stühle und sprang nach dreißig Sekunden wieder auf. Ich kochte Kaffee und schüttete ihn weg.
    Halb eins. Noch

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