Heidelberger Requiem
nach Canossa, ein Megastrauß für mindestens fünfzig Mücken und ein selbst gebackener Kuchen.«
»Wenn ich der armen Frau auch noch einen Kuchen backe, dann wird sie kündigen, falls sie den Genuss überlebt. Und ich weiß ja nicht mal, wo sie wohnt!«
»Das find ich raus für Sie. Und wegen des Kuchens machen Sie sich keine Sorgen. Kommen Sie in einer guten Stunde bei mir vorbei.«
Ich besorgte eine Flasche Ihringer Spätburgunder bei Frau Brenneisen und einen riesigen Strauß lachsfarbener Rosen beim Blumenladen am Bergfriedhof und fuhr nach Neckargemünd hinaus. Balke wohnte in einer Etagenwohnung im Neubauviertel. Das ganze Haus duftete schon nach seinem Kuchen.
»Möchten Sie was trinken?«, fragte er zur Begrüßung.
Er war im Bademantel, und durch die angelehnte Schlafzimmertür erhaschte ich einen Blick auf schlanke Frauenzehen, die unter der Bettdecke hervorlugten. Ich schüttelte den Kopf.
»Ich möchte nicht länger stören als unbedingt nötig.«
»Sie könnten unter achtzehn Sorten Cola wählen. Seit kurzem hab ich endlich auch eine Abfüllung aus Oldenburg. Sagenhaft, sag ich Ihnen. Die müssen da oben ein Wasser haben …« Genießerisch schnalzte er mit der Zunge.
»Nun sagen Sie bloß, die schmeckt nicht überall gleich!«
»Schmeckt Wein überall gleich? Da sind auch nur Trauben drin. Die Zutaten sind immer dieselben. Aber das Wasser, das macht den Unterschied für Kenner.«
Seine Einrichtung erinnerte mich an die von Patrick Grotheers. Viel Weiß, klare Formen, alles augenscheinlich nicht billig. Aber im Gegensatz zu Grotheer hatte er Geschmack.
»Ein andermal gerne. Aber heute …«
Er erklärte mir, er habe einen Rotweinkuchen nach Art seiner Großmutter väterlicherseits gebacken, und ließ mich das Rezept auswendig lernen.
»Eines überlege ich die ganze Zeit«, sagte er, als ich schon vor der Tür stand. »Wie will Krahl das anstellen? Wenn er bei seinem System bleibt, dann muss er die Frau ja vergiften. Wie soll das funktionieren? Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn der ungesehen in das Haus kommt. Er müsste einen Tunnel graben oder so was.«
Mit guten Ratschlägen, der Adresse meiner Sekretärin und den besten Wünschen verabschiedete er mich.
Sönnchen hatte Besuch und freute sich wie verrückt, obwohl sie von Rotwein regelmäßig Migräne bekam, wie ich im Lauf der nächsten zwei Stunden aufschnappte, und lachsfarbene Blumen eigentlich nicht ausstehen konnte. Ich wurde nicht weniger als acht Freundinnen vorgestellt als der nette neue Chef, musste mich bestaunen lassen wie ein frisch gekauftes Pferd, und drei Tassen mörderisch starken Kaffee sowie vier Stück Torte zu mir nehmen, drei davon mit Sahne. Mein Rotweinkuchen wurde sehr gelobt, und natürlich musste ich das Rezept zum Besten geben. Ich hoffte, dass ich nichts vergessen hatte. Dann war mir schlecht, und sie ließen mich endlich gehen. Niemals wieder würde ich den Geburtstag einer Sekretärin vergessen.
»Herr Kriminalrat«, erklärte sie mir an der Tür mit betretener Miene. »Ich glaub, ich hab was angestellt.«
»Egal, was es ist, es ist schon vergeben«, sagte ich erschöpft.
»Ich glaub aber, es ist ziemlich schlimm.«
»Es kann auf keinen Fall so schlimm sein wie das, was ich mir geleistet habe.«
»Freitagmittag hat ein junger Mann angerufen. Der hat Sie sprechen wollen. Sie sind aber in der Stadt gewesen …«
»Ein junger Mann?«
»Dieser Fitz, Sie wissen schon.«
»Und was hat er gewollt?«
»Das hat er nicht gesagt. Ich hab ihm versprochen, dass Sie gleich zurückrufen, wenn Sie wieder da sind, aber … ich glaub fast, den Zettel hab ich dann später in den Papierkorb geschmissen. Aus … aus Versehen, natürlich.«
Ich überlegte. »Ich hab eine Idee, Sönnchen, wie Sie es wieder gutmachen können. Wenn Ihr Besuch gegangen ist, dann hängen Sie sich ans Telefon und sehen zu, dass Sie den Kerl erreichen. Seine Handynummer muss in unseren Akten stehen.«
Ich diktierte ihr meine Handy-Nummer, die sie auf einem karierten Blöckchen notierte, das neben ihrem Telefon lag.
Sönnchens Kaffee verursachte mir Herzrasen, die Torten Bauchgrimmen. In mir brodelte eine fiebrige Unruhe. Keine Sekunde konnte ich mehr stillsitzen. Am Abend fuhr ich aus purer Nervosität noch ein letztes Mal für diesen Tag nach Karlsruhe, um die kleine Stereoanlage der Mädchen zu holen, damit sie endlich ihre neuen CDs hören konnten und sich so vielleicht beruhigten, sowie ein Küchenschränkchen und ein
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