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Heidelberger Requiem

Heidelberger Requiem

Titel: Heidelberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Essen war mir übel. Aber das lag nicht nur an den Hamburgern, die ich gegessen hatte.

22
    Der Sonntag war grauenhaft. Die Mädchen begannen schon beim Frühstück zu weinen und mich mit Vorwürfen zu überschütten. Ich konnte ihnen versprechen, was ich wollte, konnte ihnen die verlockendsten Zukunftsperspektiven ausmalen. Sie wollten zurück und sonst nichts. Schließlich verzogen sie sich schniefend in ihr Zimmer, um zu lesen, weil wir ja nicht einmal einen Fernseher hatten. Und wozu schenkte man ihnen CDs, wenn ihre Anlage noch in Karlsruhe stand.
    Ich hängte Lampen auf, fuhr viermal zum Haus zurück, um den Fernseher und ein paar andere mehr oder weniger sinnlose Dinge zu holen, vor allem aber, um den Kindern aus dem Weg zu gehen.
    Mittags kochte ich Spaghetti carbonara.
    »Bei Mama haben die viel besser geschmeckt!«, hieß es. »Und den Speck hat sie in Streifen geschnitten und nicht in Würfel!«
    Das Schlimmste war, dass sie Recht hatten. Mir schmeckte das Zeug auch nicht. Immerhin gaben sie zu, dass Heidelberger Cola nur unwesentlich schlechter schmeckte als die Karlsruher Version.
    Um halb drei rief Balke an. »Chef, entschuldigen Sie, wenn ich am Sonntag, aber …«
    »Kein Problem.«
    »Es ist …« Er druckste herum. »Ich weiß, Sie wollen es nicht hören, aber … Na ja, hab gedacht, ich muss Ihnen das einfach sagen.«
    »Was müssen Sie mir sagen?« Mein Ton war zu schroff. Ich räusperte mich. »Schießen Sie los«, fuhr ich milder fort. »Und wundern Sie sich nicht über meine schlechte Laune.«
    »Gut. Ich hab mich nämlich mal ein bisschen schlau gemacht, was diese Stiftung so treibt. Die müssen ja zum Glück Rechenschaft ablegen, was sie machen mit ihrem Geld.«
    »Und was machen sie damit?«
    »Da gibt’s zum Beispiel eine Klinik in Mali, der sie letztes Jahr fünfzigtausend Dollar überwiesen haben.«
    »Ist das nicht schön für diese Klinik?«
    »Wenn sie das Geld gekriegt hätten, schon. Diese Klinik gibt’s nämlich überhaupt nicht. Die ist Anfang der Fünfziger von der Albert-Schweitzer-Stiftung gegründet worden und wurde vor fünf Jahren aufgelöst, weil da in der Gegend kaum noch Menschen leben. Sind alle weggezogen, weil die Sahara sich immer weiter ausbreitet.«
    »Könnte das ein Versehen sein? Irgendwer hat sich vielleicht vertippt?«
    Balke hustete. »Klar, möglich. Einmal ist keinmal, hab ich auch gedacht. Aber dann gibt’s da noch ein Urwaldkrankenhaus im Nordosten von Zaire. Witzigerweise haben die sogar ’ne kleine Website. Ein deutscher Entwicklungshelfer betreibt die, Schorsch heißt der, aus Regensburg. Weiß der Teufel, wie er das technisch macht. Dem hab ich heute Morgen ’ne Mail hingebeamt. Und wissen Sie, was er geantwortet hat?«
    »Sie werden es mir bestimmt gleich verraten.«
    »Von dieser Stiftung haben sie noch nie was gehört. Geschweige denn, Kohle gekriegt.«
    »Wirklich merkwürdig.«
    »Und ich hab noch mehr solche Merkwürdigkeiten gefunden. Sie zahlen nicht nur Zuschüsse zu irgendwelchen Hilfsprojekten, sie organisieren auch selbst welche. Bauen mal irgendwo einen kleinen Staudamm oder legen ein paar Quadratkilometer Sumpfland trocken, wegen der Malaria. Und praktisch alle diese Projekte sind in den letzten Jahren über eine ganz bestimmte Firma gelaufen. Und jetzt dürfen Sie dreimal raten, wie die heißt.«
    »Marvenport and Partners.«
    »Anscheinend haben sie schon das eine oder andere getan für die Menschheit, zumindest in der Vergangenheit. Aber ich vermute, eine ziemliche Menge von der vielen hübschen Kohle, die unser guter Prof so fein steuerbegünstigt an die überweist, gerät in ganz falsche Kanäle.«
    »Ob er davon weiß?«
    »Wollen wir wetten?«
    Ich wettete lieber nicht. Als Balke auflegen wollte, fiel mir noch etwas ein.
    »Herr Balke, Sie wissen ja wirklich eine Menge. Wissen Sie zufällig auch, was mit meiner Sekretärin los ist? Seit Donnerstag redet sie kein vernünftiges Wort mehr mit mir. Hab ich irgendwas falsch gemacht?«
    Er lachte auf. »Die ganze Direktion redet von nichts anderem mehr. Vermute, das Innenministerium hat inzwischen einen Krisenstab eingerichtet.«
    »Was ist denn, um Himmels Willen?«
    »Sie hat am Donnerstag Geburtstag gehabt.«
    »Ach, du lieber Gott!«
    »Sie können Liebekind sämtliche Zigarren klauen oder unserer guten Oberstaatsanwältin Knallfrösche unter den Rock werfen. Aber den Geburtstag Ihrer Sekretärin verbummeln, das ist tödlich.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt hilft nur noch: auf Knien

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