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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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verduftet ist?«, rief er schadenfroh und entschieden zu laut.
    »Seit wann?«
    »Vor zwei Stunden ist er mit seinem Auto weg. Wie ein Bekloppter ist der gefahren. Um ein Haar hätte er noch meinen Fotografen umgenietet!«
    »Sie meinen, er ist geflohen?«
    »So hat’s jedenfalls ausgesehen, als wäre er auf der Flucht. Was unternehmen Sie jetzt? Gibt’s eine Fahndung?«
    »Herr Seligmann steht nicht mehr unter Verdacht. Er hat keinen Grund, vor irgendwem zu fliehen, außer vor Ihnen vielleicht. Deshalb darf er reisen, wohin er will. Und, falls es Sie interessiert, der Fall Ahrens ist aufgeklärt.«
    »Wer war’s?«, fragte er sofort.
    »Morgen Vormittag gibt es eine Pressekonferenz. Da werden Sie es erfahren.«
    Mit einem Mal war Jupp Möricke überaus freundlich. »Herr Gerlach, bitte! Nur ein winziger Tipp! Sie kostet er nichts, und ich ernähre Frau und sieben Kinder von solchen Informationen.«
    Vangelis, die ich gebeten hatte, mich zu begleiten, nahm Platz und strich den Rock ihres hellgrauen, auf Taille geschnittenen Nadelstreifen-Kostüms glatt.
    »Zufällig weiß ich, dass Sie weder verheiratet sind, noch Kinder haben. Morgen Vormittag sehen wir uns.«
    Ich legte auf und sah Vangelis an.
    »Also, was denken Sie?«
    »Er lügt«, sagte sie. »Was den Bankraub betrifft, lügt er.«
    »Wen will er decken?«
    Sie seufzte. »Und ich dachte schon, ich hätte ihn. Aber vorhin, bei Ihren letzten Fragen, da war mir auf einmal klar, dass er lügt. Ich vermute, genau das war Ihre Absicht?«
    »Er deckt den Täter. Das Handy ist das gesuchte. Er hat es erwiesenermaßen in der Hand gehabt. Er hat es in Seligmanns Mazda versteckt, um uns auf eine falsche Spur zu locken.«
    »Mir fällt jetzt nur noch eine Person ein, an die wir noch nicht gedacht haben.« Vangelis sprang auf, und ich zog mein Jackett wieder an, das ich eben erst über die Sessellehne geworfen hatte.

27
    Niemand öffnete auf mein stürmisches Läuten. Wieder und wieder drückte ich den polierten Messingknopf. Der Drei-klang-Gong im Inneren des Hauses dröhnte und dröhnte. Vom Gehweg her beobachteten uns Möricke und sein Fotograf. Alle anderen Vertreter der Presse hatten sich inzwischen anscheinend wichtigeren Ereignissen zugewandt.
    »Versuchen wir es hinten!«, rief ich hablaut.
    Wir liefen um das Haus herum, und wie ich gehofft hatte, stand die Terrassentür ein wenig offen. Innen war alles still. Niemand antwortete auf unser Rufen.
    Es war diese Art von Stille, die einen sofort das Schlimmste fürchten lässt.
    Wir fanden Rebecca Braun im ehelichen Schlafzimmer. Gekleidet war sie in demselben dunkelgrünen Kleid, das sie auch getragen hatte, als ich sie zum ersten Mal sah, und das so schön mit der Farbe ihres Haars harmonierte. Der scharfe Geruch verbrannter Nitrozellulose hing in der Luft.
    In der Schläfe ein kleines, unscheinbares Loch.
    Sie konnte noch nicht lange tot sein.
    Wie aufgebahrt lag sie auf diesem Bett, unter ihr eine schwere karmesinrote Tagesdecke. Frau Braun trug Ohrringe, ihr Mund war heute sogar ein wenig geschminkt. Offenbar hatte sie sich eigens fein gemacht für die letzten Sekunden ihres Lebens. Ihre linke Hand ruhte entspannt auf dem Bauch, die rechte hing seitlich vom Bett herab. Sie hatte kaum Blut verloren.
    »Nahschuss«, konstatierte ich und sah unters Bett. »Aber ich sehe hier keine Waffe. Das war vielleicht doch kein Selbstmord.«
    »Sehen Sie nur«, murmelte Vangelis erschüttert, »jemand hat ihr die Augen zugedrückt!«
    »Da kommt eigentlich nur einer in Frage.«
    Sie telefonierte schon nach der Spurensicherung.
    Ich zückte ebenfalls mein Handy und ließ mich mit der Einsatzzentrale verbinden.
    »Fahndung nach Xaver Seligmann.« Ich beschrieb seinen hellblauen Mazda. »Die Nummer und alles, was Sie sonst noch brauchen, erfahren Sie von meiner Sekretärin. Dringende Warnung: Der Mann ist vermutlich bewaffnet und unberechenbar.«
    »Da, ein Brief.« Vangelis deutete auf einen schmalen Umschlag, der auf dem Nachttisch an einem teuer aussehenden Tiffany-Lämpchen lehnte. »Er ist an Sie adressiert.«
    Also doch Selbstmord?
    »Stopp!«
    Ihre Hand zuckte zurück. Auch sie schien inzwischen erschöpft zu sein, denn in wachem Zustand wäre meiner Kollegin ein solcher Anfängerfehler niemals unterlaufen. Durch das offen stehende Fenster hörte ich Möricke draußen aufgeregt telefonieren. Er musste gerochen haben, dass etwas Außergewöhnliches geschehen war.
    »Aber warum?«, fragte Vangelis tonlos. »Weil wir ihren

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