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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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Schwachen, noch die ungezählten Therapieversuche, die schon deshalb scheitern mussten, weil er den wirklichen Grund seiner Probleme niemandem verraten durfte.
    Schon bald fühlte ich, wie unsäglich froh David war, dass es endlich zu Ende ging mit diesem Wahnsinn. Mit dem Druck auf seiner Brust, der ihm so lange die Luft zum Leben genommen hatte. Und ich glaubte ihm jedes Wort. Dieses heulende bisschen Mensch hatte keinen Grund und keine Kraft mehr zum Lügen.
    Nach den ersten Fragen lehnte ich mich zurück und überließ Vangelis die weitere Führung des Gesprächs. Ich konnte nicht mehr.
    Was wir erst jetzt erfuhren: Jule und David waren auf dieselbe Schule gegangen, waren sogar in derselben Jahrgangsstufe gewesen, allerdings in verschiedenen Klassen. Jule galt unter ihren Mitschülern als hochnäsig, weil sie mit den Jungs ihres Alters nichts zu tun haben wollte.
    »Fast alle haben’s probiert bei ihr«, flüsterte der junge Mann auf dem viel zu großen Stuhl. »Sie hat schon verdammt gut ausgesehen. Aber sie hat ja nicht mal mit einem geredet. Irgendwie hat man sich immer gefühlt wie ein Stück Scheiße bei der. Zu mir hat sie mal gesagt, ich soll doch bitte erst duschen gehen, bevor ich sie anmache. Dabei hatte ich ihr bloß eine Zigarette angeboten und wollte ein bisschen quatschen. Aber so war sie, die Jule. Genau so.«
    »Ich nehme an, Sie wussten, dass sie etwas mit Seligmann hatte?« Vangelis konnte verblüffend einfühlsam sein, wenn es nötig war.
    Mit dem Gesicht in den Händen nickte er. »Sie haben versucht, es geheim zu halten, logisch. Es hat schon länger Gerüchte gegeben, wegen irgendwelcher Blicke, die sie sich zugeworfen haben, im Unterricht. Ich hab mir dann eine Weile den Jux gemacht, zu beobachten, was der gute Seligmann so treibt an den Nachmittagen. Und da hab ich sie irgendwann gesehen, wie sie zusammen in seine Garage gefahren sind. Klar hat sie sich klein gemacht. Aber ich hab sie trotzdem erkannt. Anfang Mai muss das gewesen sein. Da lief das aber schon eine ganze Weile. Und danach ist sie regelmäßig zu ihm gekommen. So einmal die Woche. Manchmal öfter.«
    »Dann waren Sie das, der an Seligmanns Fenster spioniert hat?«
    »Ja. Das war ich. Wir hatten natürlich drüber geredet, in der Clique, dass sie es mit ihm treibt. Ausgerechnet mit dem Seligmann, obwohl … eigentlich konnten wir ihn ja ganz gut leiden.«
    »Wozu sollte diese Spioniererei gut sein?«, fragte ich. »Waren Sie scharf auf Sex-Szenen?«
    »Erst nur so, zum Spaß. Ich wollt halt wissen, was die so treiben.« David nickte in Gedanken. »Aber da ist ja nichts gelaufen. Musik haben sie gehört, so klassische Sachen. Jule hat Cola getrunken, und sie haben geredet und rumgeknutscht und ein bisschen gefummelt.«
    »Hatten Sie denn den Eindruck, dass sie mehr wollte?«
    »Die war total scharf auf den Seligmann. Aber er hat sie nicht rangelassen. Das war ja das Komische. Sie wollte die ganze Zeit und er nicht. Normalerweise ist es doch umgekehrt.«
    »Wie ging’s dann weiter?«
    »Wie gesagt, wir haben in der Clique öfter darüber geredet. Und irgendwann ist einer auf die Idee gekommen, wir sollten versuchen, mal was auf Tonband aufzunehmen, ein paar Fotos zu schießen. Wozu, wussten wir selbst nicht. Wir hatten damals alle möglichen schrägen Ideen. Vielleicht Seligmann ein bisschen erpressen, oder Jule mal so richtig ärgern, keine Ahnung. Aber da ist ja nichts gelaufen. Er hat sie einfach nicht rangelassen. Ich glaub, sie hat richtig gelitten.«
    Vorsichtig tastete Vangelis sich an den Vorabend von Jules Geburtstag heran. Wenn David wieder einmal von einem Weinkrampf geschüttelt wurde, ließ sie ihm Zeit.
    »Wir waren total stinkig auf sie. Vor allem Ferdi. Der hatte beim Schulfest Anfang Juni mal wieder versucht, sie anzubaggern. Aber sie hat ihn in ihrer speziell üblen Weise abblitzen lassen. Sie konnte ja nicht einfach sagen, sie hat keinen Bock. Bei Jule musste es immer gleich wehtun. Man musste sich so richtig klein und dreckig fühlen. Eine Zicke war sie.«
    David blinzelte. Überlegte vielleicht, dass es nicht schlau war, in seiner Situation so etwas zu sagen. Aber dann wiederholte er es sogar: »Ja, eine richtig linke Zicke konnte sie sein.«
    »Und da haben Sie beschlossen, sie zur … zur Rede zu stellen?«, fragte Vangelis in einem Ton, als hätte sie jedes Verständnis für das, was nun folgte.
    »Quatsch!« David bemühte sich, seine Stimme wieder unter Kontrolle zu bekommen. Es gelang ihm schlecht.

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