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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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in der Mitte meine Visitenkarte lag.
    »Herr Gerlach«, begann er, »sehen Sie, ich bin nun seit über fünfundzwanzig Jahren Lehrer. Ich habe tausende von Schülern kommen und gehen sehen. Wie sie hier begannen, in der Fünften, was später aus ihnen geworden ist.« Plötzlich war er sehr ernst. »Und wenn ich eines gelernt habe in all den Jahren, dann dies: Jeder Mensch ist im Prinzip zu allem fähig. Es müssen lediglich die Umstände entsprechend sein, dann werden auch Sie zum Mörder und ich genauso.«
    »Das sehe ich natürlich schon auf Grund meines Berufs ein wenig anders.«
    »Sie glauben an das Gute im Menschen? An das Böse? An Schuld?«
    »Ich glaube, was ich sehe«, erwiderte ich nun ebenso ernst. »Und ich sehe, dass manche Menschen Verbrechen begehen und andere, die vielleicht ein schlimmeres Schicksal zu ertragen haben, ehrlich bleiben. Ich sehe, dass Menschen zu Dieben werden, obwohl sie viel wohlhabender sind als mancher andere, der nicht stiehlt. Ich sehe, dass Menschen zu Mördern werden, obwohl es ihnen an nichts fehlt im Leben.«
    »Vielleicht lassen wir das Thema lieber«, versetzte Schnellinger fröhlich. »Freitag ist vielleicht kein guter Tag zum Philosophieren.«
    Als ich vor die Schule trat, auf den asphaltierten, mit bunten Kreiden bemalten und in der Sonne flimmernden Hof, war es schon halb drei. Ich musste mich sputen.
     
    In der Lebensmittelabteilung des Kaufhof erledigte ich hastig die notwendigen Einkäufe. Das Glück war mit mir, es gab Seezungen bereits fertig filetiert. Das Kopfabschneiden und Haut-vom-Schwanz-her-Abreißen blieb mir somit erspart. Die Zeit reichte gerade eben, meine Beute zu Hause in den Kühlschrank zu werfen. Dann war es vier.
    Ich machte noch einen letzten Kontrollgang durch die Wohnung, und da läutete es auch schon. Wir hatten verabredet, dass wir uns nicht gemeinsam sehen lassen würden. Vermutlich war es albern, aber es wäre mir peinlich gewesen, von Nachbarn im Treppenhaus zusammen mit einer fremden Frau gesehen zu werden.
    Als ich die Tür öffnete, brach ich in Lachen aus. Theresa wirkte wie eine hoffnungslos untalentierte Schauspielerin, die eine Geheimagentin darstellen soll. Ihr volles Haar hatte sie unter ein buntes Tuch gezwängt. Im Gesicht trug sie eine große dunkle Sonnenbrille, bei deren Anblick Audrey Hepburn Luftsprünge gemacht hätte und die vermutlich auch aus deren Zeit stammte. Die Frau meiner einsamen Träume war ungewohnt nervös und fand meine Heiterkeit vollkommen unpassend, wie sie mir an Stelle eines Begrüßungskusses erklärte.
    »Es könnte mich jemand sehen!«
    »Aber hier kennt dich doch niemand, meine kleine Süße.«
    Wenn man Theresa nachhaltig auf die Palme bringen wollte, dann brauchte man sie nur »meine kleine Süße« zu nennen. Damit lag man nur noch eine Stufe unter dem Spitzenplatz, den sich »Zuckerschneckchen« mit »Schätzelchen« teilte. Und natürlich war sie weder klein noch süß. Theresa war eine selbstbewusste, große und, nach ihrer eigenen Meinung, zu üppige Frau.
    Ich nahm sie tröstend in die Arme. Beim Versuch, sie zu küssen, biss sie mich in die Unterlippe.
    »Und es ist auch wirklich niemand hier?«, fragte sie, plötzlich von irgendwelchen inneren Kräften von ihrem Zorn abgelenkt.
    Ich half ihr aus dem Chanel-Blazer, nahm ihr sachte die dunkle Brille von der Nase. Offenbar war ihr warm, denn sie streifte auch gleich das D&G-Shirt über den Kopf, das sie unter der Jacke trug.
    »Du bist der widerlichste Kerl, den ich kenne«, seufzte sie und fiel mir in die Arme. Um ein Haar hätten wir dabei das Gleichgewicht verloren und wären der Länge nach in den Flur gestürzt.
    Ein Vorteil etwas üppigerer Frauen ist, dass sie in der Regel auch üppige Brüste haben, stellte ich wieder einmal zufrieden fest. Inzwischen klebte sie mit jedem Zoll ihres so begehrenswert duftenden Körpers an mir. Ein Hagel von heißen Küssen ging über meinem Gesicht nieder, der mir fast den Atem nahm.
    »Ich habe eine Flasche Prosecco aufgemacht zur Begrüßung«, bekam ich zwischendurch heraus.
    »Keinen Durst.«
    »Ein Häppchen Käse? Was Süßes?«
    »Du bist mir im Moment süß genug, Honey. Und du hast den Vorteil, ohne Kalorien und auch noch alkoholfrei zu sein.«
    »Gibt’s sonst irgendwas, womit ich dir zur Begrüßung eine Freude machen kann?«
    Aber es war längst offensichtlich, auf welche Art von Freude Theresa aus war. Sie fummelte schon an meinem Gürtel.
    Irgendwie waren wir inzwischen in die Küche

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