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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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hoffentlich darauf geachtet, dass sie Kondome mitnehmen auf ihre Klassenfahrt?«
    »Theresa!« Ich stieß sie weg. »Sie sind vierzehn!«
    »Eben deshalb«, erwiderte sie verwundert. »Ein bisschen früh, um schwanger zu werden, findest du nicht auch? Aber vermutlich haben sie sich selbst versorgt. Sie sind ja nicht auf den Kopf gefallen.«
    »Hör bitte auf damit! Ich finde das gar nicht witzig!«
    »Das sollte es auch nicht sein, Süßer.«
    Erst seit ich Theresa kannte, wusste ich, wie oft ein Mensch Sex haben kann. Und wie verrückt Frauen, zumindest bestimmte Exemplare, auf diese Art von körperlicher Betätigung sind. Diesmal landeten wir auf der Couch im Wohnzimmer. Norah Jones, deren erste CD ich eigens für diesen Zweck eingelegt hatte, kam nicht zum Einsatz.
    Später saßen wir, nun wieder züchtig in unseren Morgenmänteln, in der Küche, knabberten Käse zu Baguette und tranken den vorzüglichen Kerner meines ahnungslosen Chefs dazu. Ich studierte das Etikett. Er war vom Bodensee aus der Nähe von Meersburg.
    Mein Handy brummte auf dem Tisch. Gegen Theresas dramatischen Protest hatte ich mit dem unanfechtbaren Argument »die Kinder« durchgesetzt, dass es eingeschaltet blieb. Es war nur eine kurze SMS von Louise. »S. hat immer noch Zahnweh. Frau K. hat ihr Tabletten besorgt. Mir ist schlecht. Das blöde Essen. Muss dauernd aufs Klo. Sonst geht’s uns super. Küsschen, L.«
    Falls die beiden wirklich Kondome im Gepäck hatten, sie würden sie kaum ihrem Zweck zuführen können, kam mir in den Sinn. Theresa erriet meinen Gedanken und schimpfte mich einen gräßlichen Rabenvater, der seinen armen Töchtern keinen Spaß gönnte.
    »Sex ist doch kein Spaß!«, brummte ich.
    »Ach nein?«, fragte sie mit runden Augen. »Wie nennst du das denn, wenn ich fragen darf?«
    Da mir keine gescheite Antwort einfiel, nahm ich sie in die Arme und küsste sie. Theresas Bademantel fiel schon wieder ganz von alleine auseinander und legte schamlos ihre Reize frei. Ihre Arme waren heiß. Ihr Mund schmeckte nach Wein.

11
    Am Montagvormittag verstand ich Heribert Braun plötzlich sehr gut: Xaver Seligmann war mir auf den ersten Blick unsympathisch. Er mochte noch einige Zentimeter größer sein als ich, wirkte aber auf Grund seiner kraftlosen Körperhaltung und des gebeugten Rückens kleiner, als er war. Alles hing an diesem Mann. Die Tränensäcke im hageren Gesicht, die Mundwinkel, das zerknitterte, blaukarierte Flanellhemd, das er über der lappigen Tuchhose trug.
    Wie hatte ich auf einen ruhigen Tag gehofft, um mir die traumwandlerische Stimmung vom Wochenende noch ein wenig zu erhalten. Und nun saß mir dieser Mann gegenüber, nach dem wir seit einer Woche suchten, und starrte mich aus tief liegenden braunen Augen misstrauisch an.
    Obwohl oder gerade weil ich gründlich verschlafen hatte, war ich müde. Meine Nächte mit Theresa waren naturgemäß unruhig gewesen. Einerseits hatten wir nicht aneinander satt werden können, andererseits waren wir es beide nicht mehr gewohnt, mit jemandem das Bett zu teilen. Seit Jahren hatten sie und ihr Mann getrennte Schlafzimmer, erfuhr ich bei dieser Gelegenheit. Meine Frage, ob das bedeutete, dass sie auch nicht mehr mit ihm schlief, blieb unbeantwortet.
    »Es ist nicht gut, wenn man alles voneinander weiß«, hatte sie gehaucht und mich hingebungsvoll auf den Bauchnabel geküsst. »Das macht den Zauber jeder Beziehung kaputt.«
    Da meine Angebetete eine unersättliche Langschläferin war, hatte ich die Morgen zum Laufen genutzt. Die Tage hatten wir verbummelt mit Faulenzen, Reden, Schmusen und Liebe. Und vorhin hatte ich kaum an meinem Schreibtisch Platz genommen, da klingelte schon mein Telefon.
    »Er ist wieder da«, sagte Vangelis. »Dieser aufmerksame Nachbar von schräg gegenüber hat heute Morgen sage und schreibe um halb sechs hier angerufen. Seligmanns Mazda steht wieder in seiner Garage. Er muss irgendwann im Lauf der Nacht zurückgekommen sein.«
    Vor einer halben Stunde noch hatte ich mich gefühlt wie nach einem zweiwöchigen Urlaub in einem fernen Land – leicht erschöpft, noch ein wenig abwesend, aber durch und durch erholt. Und nun, es war gerade erst halb zehn, und ich hatte noch nicht einmal Kaffee getrunken, nun hockte Seligmann vor mir auf seiner schäbigen Couch und wartete darauf, dass ich endlich etwas sagte. In den Terrarien raschelte es hin und wieder. Vangelis hüllte sich in vornehmes Schweigen.
    Seligmann rauchte.
    »Schön, Sie zu sehen«, sagte ich.

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