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Heidelberger Wut

Heidelberger Wut

Titel: Heidelberger Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolgang Burger
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sehen.«
    »Hat er vielleicht geerbt? Oder im Lotto gewonnen?«
    »Meines Wissens nicht. Jedenfalls versteuert Braun so gut wie keine Kapitalerträge.«
    »Vielleicht hat seine Frau Geld mit in die Ehe gebracht.«
    Er schüttelte den Kopf. »Bevor sie ihn geheiratet hat, war sie Schauspielerin. Nichts Bedeutendes, Nebenrollen an kleinen Theatern, mal ein kurzer Auftritt in einem Werbespot im Fernsehen und so. Da kommt man auch nicht so leicht zu Reichtümern.«
    Ich sah auf die Uhr. »Ist Ihre … Lebensgefährtin denn nicht eifersüchtig, wenn Sie immer noch Kontakt mit Ihren Verflossenen pflegen?«
    »Eifersüchtig?« Balke lachte bitter und machte mit dem Daumennagel eine rasche Bewegung über seine Kehle. »Wenn meine Nicole erfährt, dass … Müssen Sie irgendwo hin? Sie sehen dauernd auf die Uhr.«
    »Ich will gleich noch mit Seligmanns ehemaligem Chef reden. Wir sind um drei verabredet.«
    »Ich hätte da nämlich eine Frage.«
    »Wenn es nicht zu lange dauert.«
    Verlegen sah er auf seine Hände. »Es ist nämlich was Persönliches.«
    Was gibt es für einen Chef Schöneres, als wenn seine Untergebenen mit ihren privaten Problemen zu ihm kommen?
    Tapfer sah Balke auf. »Nicki will ein Kind.«
    Nicki, vermutete ich, war Nicole.
    »Ist das nicht ein bisschen plötzlich? Wie lange wohnen Sie denn jetzt zusammen?«
    »Drei Monate, ja. Es soll auch nicht gleich sein, es geht mehr ums Prinzip. Darf man das denn heute noch? Wo alles rund um uns herum zusammenbricht? Überall nur noch Wirtschaftskrisen und Treibhauseffekt und Krieg, und die Arbeitslosigkeit steigt und steigt!«
    »Sie sind Beamter, Herr Balke. Und Polizisten wird man auch in hundert Jahren noch brauchen. Vermutlich sogar mehr als heute. Und außerdem, wenn alle Menschen mit dem Kinderkriegen gewartet hätten, bis der passende Zeitpunkt gekommen war, dann wäre die Menschheit vor fünfzig Millionen Jahren ausgestorben.«
    Balke nickte nachdenklich. »Das hab ich mir natürlich auch überlegt. Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie es nie bereut, dass Sie Kinder angeschafft haben?«
    »Bereut?«, lachte ich. »Ich bereue es jeden Tag! An manchen sogar mehr als einmal.«
    »Und?«
    »Ich würde es trotzdem jederzeit wieder tun.«
    »Aber warum?«
    »Das werden Sie in der Sekunde herausfinden, in der Sie zum ersten Mal Ihr Baby auf dem Arm haben.«

10
    »Aber selbstredend erinnere ich mich noch an den Kollegen Seligmann.« Oberstudiendirektor Schnellinger machte seinem Namen Ehre und nahm überraschend flink hinter einem vor seiner mächtigen Figur zierlichen Schreibtisch Platz. »Sehr gut sogar. Ist was mit ihm?«
    Vom Flur drangen die gedämpften Geräusche eines jetzt, am Freitagnachmittag, nahezu leeren Schulhauses herein. Die Klingel schrillte, eine Tür fiel zu, leichte Schritte trappelten eilig über harten, gefliesten Boden. Dieser Geruch nach Schule, der einen nie im Leben mehr loslässt. Plötzlich fühlte ich mich in meine Jugend zurückversetzt, litt mit den armen Kindern, die hier jeden Morgen verschlafen und frustriert auf ihre Lehrer warteten, um von ihnen Dinge zu lernen, die sie nicht wissen wollten und vermutlich niemals in ihrem Leben brauchen konnten.
    Das Hölderlin-Gymnasium, fast mitten in der Altstadt gelegen, war von der Direktion bequem zu Fuß zu erreichen wie überhaupt so vieles in Heidelberg. Inzwischen hatte ich begriffen, dass es sich oft nicht lohnte, einen Wagen zu nehmen, weil die anschließende Parkplatzsuche meist länger dauerte als der Fußweg, den man sich dadurch ersparte. Den Schulhof betrat man durch einen finsteren Durchgang von der Friedrich-Ebert-Anlage her, den nur ein geistig verwirrter oder ungewöhnlich zynischer Architekt sich ausgedacht haben konnte. Das große, einen ganzen Block einnehmende Schulgebäude dagegen war ein heller, überwiegend in freundlichem Gelb gestrichener Bau.
    Mit sonniger Neugier strahlte der Schulleiter mich an. Er erwartete eine Antwort auf seine Frage.
    »Er ist verschwunden. Und wir machen uns Gedanken, warum und wohin.«
    »Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich Ihnen sage, wo Sie ihn suchen müssen?«
    »Natürlich nicht. Ich würde nur gerne von Ihnen hören, was für ein Mensch er ist.«
    »Treiben Sie immer einen solchen Aufwand, wenn ein Erwachsener verschwindet?«
    »Unter gewissen Umständen, ja.«
    »Und was sind diese gewissen Umstände?«
    Ich hob die Schultern und lächelte ihn unschuldig an.
    »Natürlich, natürlich.« Schnellinger lachte auf. »Geht mich einen

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