Heidi Klum - Chamäleongesicht. Biographie (German Edition)
Bemerkungen auf den Leib schneidern, und Regisseure, die sich darüber Gedanken machen, wie aus anscheinend spontanen Äußerungen kleine Showeinlagen entstehen können, um die starre Gesprächssituation aufzulockern. Wer da verkrampft oder begriffstützig ist, wird als „schlechter Gast“ wahrgenommen. Gelingt es einem aber, locker, lustig und amüsant auf den Bildschirm zu kommen, fördert man dabei seine Karriere, denn man ist von nun an jemand, der auf den Einladungslisten aller Talkshows stehen wird. Wer einmal im amerikanischen Fernsehen gern gesehener Gast ist, hat dadurch auch die Möglichkeit, die Firmenprodukte, die er außerhalb des Fernsehens oder im Rahmen von Fernsehspots bewirbt, bekannter zu machen, und das einfach aus dem Grund heraus, weil man ihn eben kennt. Er eignet sich aber auch für die Rolle als Markenbotschafter eines Produkts oder einer Marke, die Auftritte in Fernsehshows auch gerne unter der Hand bezahlt. So wird man berühmt, weil man es ist, und steigert seinen Ruhm dadurch, von Förderern noch berühmter gemacht zu werden. Damit diese Formen Werbung außerhalb des Werbeblocks als unaufdringlich wahrgenommen werden und effektiv bleiben, muss der Werbeträger dann wieder besonders charmant oder witzig sein, jedenfalls aber durch seine Persönlichkeit bestechen.
Desiree glaubt fest daran, dass Heidi in diese Rolle als Markenbotschafterin hineinwachsen kann. Nachdem Heidi 1997 durch ihren ersten Laufstegauftritt bei Victoria's Secret gerade im Gespräch ist, hält sie den Zeitpunkt für ideal, ihre Klientin das erste Mal im Fernsehen zu präsentieren, denn Nobodys müssen dort mit einer Erklärung in Talkshowsegmente eingeführt werden. Diese Einführung heißt bei Heidi: „Sie ist die Neuentdeckung bei Victoria's Secret , und man nennt sie The Body“. Um ihr weiblichen Formen gut in Szene zu setzen, erscheint Heidi bei David Letterman in einem grotesken, für amerikanische Verhältnisse sehr gewagten Outfit. Das Kleid besteht im Wesentlichen aus zwei schwarzen Stoffstreifen, einem vorne und einem hinten. Dazwischen ist nichts. Auf der Seite sind kleine Verschlüsse angebracht, aber man sieht Heidis Seitenansicht fast nackt. Ihre Haare sind lang und auftoupiert. Heidi: „Sie waren so riesig wie die von Cindy Crawford.“ Der Auftritt bringt einen Hauch von Sex in die Sendung. Heidi: „David Letterman war begeistert von mir.“ Heidi ist diszipliniert, aufmerksam und gibt sich keine Blößen. Heidi: „Ich war gesprächig, doch ich schweifte nie ab. Ich ging auf seine Witze ein und zahlte ihm seine frechen Bemerkungen mit gleicher Münze heim.“ Auch das Showsegment, das man im Vorfeld der Sendung mit den Produzenten diskutierte, geht glatt und kommt gut an. „Als es Zeit zum Jodeln war, spielte Paul [Shaffer, langjähriger Bandleader bei Letterman] den Song, den ich vorgesehen hatte, und ich gab ihn zum Besten. Das Publikum war entzückt. Selbst David fragte, ob ich ihm Jodelunterricht geben könne. Rufen Sie mich doch mal an! gab ich den Ball zurück, als die Sequenz endete.“
Heidis gelungenen Einstand im amerikanischen Fernsehen hat sie gewissermaßen ihrem ersten Freund, dem Südtiroler Volksmusiker Seeber zu verdanken. Auf das Jodeln wird sie bei ihren Auftritten noch häufig zurückgreifen, und viele glauben, dass Heidi immer dann, wenn sie fröhlich sei – und deshalb auch nach dem Sex – zu Jodeln beginne. Sie jodelt gern, denn Jodeln hat in Amerika Seltenheitswert. Und wenn sie als Topmodel und mit frechem Gesicht jodelt, übt das einen starken Reiz auf den Betrachter aus. Wenig Menschen in Amerika wissen, dass Jodeln jenseits des Weißwurstäquators in Deutschland Seltenheitswert hat. Wohl aber liebt man jodelnde Deutsche, denn das sind keine Nazis. Also jodelt Heidi, so oft man es will. Mit der Zeit aber scheint sie es leid geworden zu sein, diese älpische Gesangsart öffentlich kommentieren zu müssen. In ihrem Buch, das ja zuerst für ein amerikanisches Publikum geschrieben wurde, vermerkt sie dann auch: „Wo ich herkomme, jodelt niemand. Seit meiner Kindheit haben wir in den Alpen Urlaub gemacht, und ich habe dort ein bisschen Jodeln gelernt, was ich ein paar Mal in Fernsehinterviews demonstriert habe. Aber ich versichere dir, dass ich noch nie einen postkoitalen Jodler losgelassen habe.“
So schwach wie die optische Präsentation in ihrer Mappe auch ist – die Aufzeichnung ihres Talkshowauftritts bei David Letterman ist ein Knaller. Heidi weiß das, und
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