Heidi und andere klassische Kindergeschichten
Geschrei ausstoßend. In der Küche saß die Base auf einem Schemel und schälte Kartoffeln. Als ihr Mann die Stubentür wieder zugemacht hatte, sagte sie: »Was hast du mit dem Kind im Sinn? Warum hast du es gleich mit heimgenommen?«
»Es wird, denk’ ich, bei jemandem sein müssen; ich bin der Vetter-Götti, und andere Verwandte hat es keine mehr. Und du kannst es ja schon brauchen; so etwas wie du dort machst, kann es dann machen. So kannst du etwas Besonderes tun. Du sagst ja immer, die Buben geben dir mehr zu tun, als eben recht.«
»Ja wegen dessen«, warf die Base hin, »das wird eine schöne Hilfe sein. Du kannst ja hören, wie es zugeht drinnen in der ersten Viertelstunde schon, daß es da ist.«
»Das habe ich schon manchmal gehört, lang eh’ das Kleine da war; es hat, denk’ ich, nicht viel damit zu tun«, sagte der Vetter ruhig.
»So«, entgegnete die Base eifrig, »hast du denn nicht gehört, daß sie alle miteinander etwas von dem Wiseli riefen?«
»Sie werden etwas rufen müssen, das war nie anders«, meinte der Vetter. »Diesem Kleinen wirst du, denk’ ich, wohl noch Meister werden, es ist kein bösartiges, das habe ich schon gemerkt, es kann auch folgen, besser als die Buben.« Das war der Base fast zu viel. »Ich meine, es war nicht nötig, daß man es jetzt schon gegen die Buben aufstifte«, sagte sie, die Häute immer schneller von den Kartoffeln abreißend, »und dann möchte ich nur das wissen, wo das Kind schlafen soll.«
Der Vetter schob ein paarmal die Kappe auf seinem Kopf hin und her, dann sagte er geruhlich: »Man kann nicht alles an einem Tag machen. Es wird wohl bis jetzt in einem Bett geschlafen haben, denk’ ich, und das wird es wieder bekommen. Morgen will ich dann zum Pfarrer gehen; heut’ kann es auf der Ofenbank schlafen, da ist’s ja warm. Dann kann man einen Verschlag machen, wo es in unsere Kammer hineingeht; da kann man sein Bett hineinschieben.«
»Ich habe mein Lebtag nie gehört, daß man zuerst das Kind bringt und dann acht Tage nachher das Bett, das dazu gehört«, warf die Base hin, »und dann möcht’ ich auch wissen, wer das bezahlen muß, wenn man noch bauen soll, um des Kindes willen.«
»Wenn uns die Gemeinde das Kleine zuerkennt, so muß sie auch etwas an den Unterhalt geben«, erklärte der Vetter; »ich nehme es dann noch immer billiger an, als ein anderer es tun würde; es ist ihm auch am wohlsten bei uns.«
Mit dieser Überzeugung ging der Vetter in den Stall hinaus und rief noch zurück, der Chäppi solle ihm nachkommen. Es war schwierig für die Base, sich Gehör zu verschaffen drinnen in der Stube, als sie den Auftrag ausrichten wollte. Da standen noch die drei im hitzigsten Gefecht, vom lautesten Kriegsgeschrei begleitet. »Es nimmtmich nur wunder, daß du dem so zusiehst und kein Wort zum Frieden sagst«, warf die Base dem Wiseli hin, das sich scheu an die Wand drückte und sich kaum rühren durfte. Nun wurde der Chäppi in den Stall geschickt, und die beiden anderen liefen ihm nach. »Kannst du stricken?« fragte dann die Base das Wiseli; es sagte schüchtern: ja, Strümpfe könne es stricken. »So nimm die«, sagte die Base und nahm aus dem Schrank einen großen braunen Strumpf heraus mit einem Garn fast so dick wie Wiselis Finger. »Du bist am Fuß, gib acht, daß er nicht zu kurz wird, er ist für den Vetter-Götti.« Nun ging sie wieder in die Küche, und Wiseli setzte sich auf die Ofenbank und mußte den langen Strumpf auf seinem Schoß zusammenhalten, der war so schwer, daß er ihm ganz die Hände herunterzog, wenn er hing, so daß es die Nadeln nicht führen konnte. Es hatte aber kaum recht angefangen an seiner Arbeit, als die Base wieder hereinkam. »Du kannst jetzt herauskommen in die Küche«, sagte sie; »du kannst sehen, wie ich alles mache, so kannst du mir an die Hand gehen nach und nach.« Wiseli gehorchte und sah draußen der Base zu, so viel es konnte; aber immer schossen ihm wieder die Tränen in die Augen, und dann sah es nichts mehr, denn es mußte denken, wie es war, wenn es so der Mutter nachlief in die Küche, und wie sie mit ihm redete und es immer wieder streichelte, und es an ihr hing. Es fühlte aber wohl, daß es nicht herausweinen dürfe, und schluckte und schluckte, daß es fast meinte, es werde erwürgt. Die Base sagte ein paarmal: »Gib acht! so weißt du’s nachher.« Sie ließ es dann aber stehen und fuhr in der Küche herum. So ging es eine gute Zeit lang, dann hörte man ein ganz erschreckliches
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