Heidi und andere klassische Kindergeschichten
einer warmen Teilnahme und der Unterstützung mit Rat und Tat allezeit sicher waren. So hatten Mutter und Tante an diesem wie an jedem anderen Abend so viele Dinge zu verhandeln und zu besprechen, daß unter ihren fleißigen Händen die Haufen der heilsbedürftigen Strümpfe im großen Flickkorb unbemerkt zusammenschmolzen und Mutter und Tante sich endlich eines späten, aber wohlverdienten Feierabends freuen konnten.
Drittes Kapitel.
Im Dorf und in der Schule von Buchberg.
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Das Dorf Buchberg bestand aus vielen zerstreuten Bauernhöfen und größeren und kleineren Gruppen von Häusern und Häuschen, die da und dort hinter den reichbelaubten Fruchtbäumen hervorguckten. In der Nähe der Kirche standen nur einige Häuser: das Schulhaus, die Küsterwohnung, das feste alte Haus des Gemeindepräsidenten und einige kleinere Bauernhäuser. Für sich allein in einiger Entfernung, der waldigen Anhöhe zu, stand das Haus des Arztes. Die größten Gebäude von Buchberg aber standen unten an der großen Landstraße, die ungeheure Fabrik und daneben das geräumige Haus des Fabrikbesitzers, der beide Gebäude selbst hatte errichten lassen. Zwischen der Landstraße und dem Wohnhause lag ein sehr sonnereicher Garten; da war kein Baum noch Busch hineingepflanzt, denn so hätte man ja das schöne Haus von der Straße aus nicht recht sehen können. Der Besitzer dieses schönen Hauses und der Fabrik war der ausnehmend reiche Herr Bickel, der mit seiner Frau und dem einzigen Sohne die unteren Räume des Wohnhauses bewohnte, indes die oberen – sechs große, prächtige Zimmer – immer fest abgeschlossen waren mit grünen, glänzenden Jalousieladen. Da kam auch nie ein Mensch hinein, als nur Frau Bickel, wenn sie hinging, den Staub von den schönen Möbeln wegzunehmen und diese bei dem Anlaß mit stiller Feierlichkeit zu bewundern. In solchen Augenblicken durfte auch das Söhnchen etwa eintreten, nachdem es seine Schuhe vor der Tür hatte ausziehen müssen, und so stand es dann in dem Halbdunkel mit einer Art andächtigen Schauers und starrte die unentweihten Sessel und Kommoden an. Herr Bickel war ein sehr angesehener Mann in der Gemeinde, denn in seiner Fabrik fanden viele große und kleine Leute Arbeit, welche Herr Bickel hinwiederum sehr wohl zu gebrauchen wußte. Er war auch so eifrig in seinem Geschäft, daß er jeden Menschen darauf ansah, ob er in seiner Fabrik zu gebrauchen wäreoder nicht, und ihn je nach dieser Eigenschaft oder dem Mangel derselben schätzte. Auch wenn in Buchberg ein Kind auf die Welt kam, berechnete er gleich, in welchem Jahr es unter die Zahl seiner Arbeiter könnte aufgenommen werden. Fast alle Kinder in Buchberg wußten auch, daß sie einmal unter die Herrschaft des Herrn Bickel kommen würden, und wichen immer scheu und respektvoll zur Seite, wenn er daherkam mit dem dicken Stock, auf dem ein großer, goldener Knopf saß, und mit der massiven, weithin glänzenden, goldenen Uhrkette, an der ein ungeheures Petschaft majestätisch hin und her baumelte.
Aus dem schönen Hause trat jeden Morgen der Sohn des Herrn Bickel, der junge Feklitus, und wanderte die Straße hinauf, der Schule zu. Auf seinem Rücken trug er den Ledertornister mit dem wundervollen Deckel, auf dem, mitten unter schönen Rosengirlanden, groß und hervortretend die Buchstaben F. B. zu sehen waren. Diesen Deckel hatte Frau Bickel dem Sohn auf Weihnachten brodieren lassen. Zu seinem etwas ungewohnten Namen Feklitus war er folgendermaßen gekommen. Sein Großvater war ein Schneider gewesen, und da dieser klein von Statur war und auch von ferne nie in einer Stellung sich befand, wie einst sein Sohn sie einnehmen sollte, sondern ein blutarmes Schneiderchen war, das sich kaum durchbringen konnte, so hieß er allgemein: der Schneiderli. Als er nun seinem Sohn in der Taufe den Namen Felix gab, wurde dieser gleich nach der Sitte der Gegend zu einem Fekli und hieß nun fortan zur näheren Bezeichnung: der Schneider-Fekli. Diesem aber, der früh ein Vorgefühl seiner einstigen Bedeutung hatte, war dieser Name anstößig und wurde ihm immer mehr zuwider, je höher er in Reichtum und Ansehen stieg. Aber die Buchberger waren nicht davon abzubringen: wenn sie einmal an einen Namen gewohnt waren, so blieben sie unveränderlich dabei und trugen ihn von einem Geschlecht aufs andere über. So noch zur Stunde; obschon jeder, der mit Herrn Bickel zusammentraf, wohl sagte: »Guten Tag, Herr Bickel!« – so nannte ihn doch kein einziger, wenn er von ihm
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