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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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tötete, um sich und sein untotes Dasein am Leben zu erhalten. Mit den viehischen Fleischfressern,
den Niänenüütli, hatte er nichts zu tun, der Ursprung dieses Geschöpfes war tausendmal raffinierter.
    So stand Professor Marus leibhaftig und hoch aufgerichtet über Geißenpeters Bett, betrachtete den bewusstlosen Buben und schritt auf die andere Seite, wo Peters Mutter lag. Brigitte war eine gute Frau, zugleich von ansprechendem Äußeren. Tagsüber bedeckte sie, was der Herr ihr an Reizen geschenkt hatte; sie war Witwe, und es schickte sich nicht, ihre Schönheit auszustellen. Sie war Marus gleich aufgefallen, solche besonderen Gesichter brachte nur die Gebirgswelt hervor. Obschon in ihren Dreißigern, blühte und schwellte diese Frau, und auch wenn er nicht ihretwegen auf die Alp gekommen war, suchte er sie in dieser Nacht auf. Er wollte sein leibliches Vergnügen, nicht die Entweihung des Witwenbettes, ihm ging es darum, seinen Hunger zu stillen.
    Von alledem wusste die Großmutter im Alkoven nichts. Sie schlief und träumte, die Nachthaube war ihr in die Stirn gerutscht, sie gab auch Töne nächtlicher Gemütlichkeit von sich. Da mit dem Alter der Schlaf jedoch leicht wurde, drang ein Geräusch sogleich in ihre farbenfrohe Wirklichkeit. Sie schrak hoch.
    »Bist du das, Peter?« Der Bub antwortete nicht. »Brigitte, hast du die Geiß hereingeholt?« Eine andere Erklärung gab es nicht für die Laute, die aus der Zimmerecke drangen. »Dürstet’s dich, Brigitte?«, fragte die Großmutter.
    Ein kräftiges Schmatzen und gurgelndes Schlucken waren zu hören, wie wenn jemand viel und hastig trinkt.
    »Ja, das ist das Richtige«, lächelte die alte Frau. »Ein Schluck warme Ziegenmilch. Ich hab mir’s auch oft geholt, wenn ich Appetit bekam.« Sie lauschte auf das gierige Saufen. »Trink
nicht zu viel«, warnte sie. »Sonst bläht es dich des Morgens.«
    Etwas schlug gegen die Hüttenwand, etwas bäumte sich auf und wurde festgehalten.
    »Wehrt sich das Geißli? Macht’s Mucken?«, kicherte die Großmutter.
    Schon hörte sie wieder das Saugen und Schlucken. Es war ein friedlicher Klang, der die Alte schläfrig machte, ihr Kopf nickte zur Seite, der Mund sank herab, schon war sie wieder eingeschlafen.
    Professor Marus aber trank die arme Brigitte vollständig leer, kein Blutströpflein ging daneben. Weiß wie das Laken, auf das er sie hinsinken ließ, war Peters Mutter geworden, weiß, tot und bereit, in Bälde zum Gefolge des Professors zu stoßen. Durch diesen Akt war sie zu seiner Braut geworden, sein Weib auf immerdar, es sei denn, an ihr würde die gleiche Prozedur vollzogen wie an der unglücklichen Adelheid.
    Während Brigitte im Vorhof des Todes verharrte und nicht eingelassen wurde in die christliche Seligkeit, kam ihr die Erkenntnis, dass es nicht das Schlimmste war, die Braut des dunkeläugigen Mannes zu sein. Sie fand, auf gewisse Weise sei dies ein Neubeginn ihres bislang recht dürftigen Lebens.
    Ihr Bub aber, der Peter, hatte nichts von der Verwandlung seiner Mutter bemerkt und schlief reglos bis zum Hahnenschrei.

Kapitel 7

    Das Kurzschwert in der Hand, trat ein Besucher beim Alm-Öhi ein. Es war um die Mittagsstunde, der Alte stand mit aufgekrempelten Ärmeln über den Trog gebeugt und holte Käseklümpchen aus der Salzlake. Zu runden Küchlein geformt presste er sie in Schalen, die er im Sommer aus Schilfblättern geflochten hatte. Als die Tür ging, schaute er sich um.
    Dete trug einen ungeheuren Hut auf dem Kopf, mit einer Feder darauf. Sie hatte ein langes Mantelkleid an, das alles mitfegte, was am Boden lag, und in der Sennhütte lag allerlei, das nicht an ein Kleid gehörte. Die Brust, der Kragen und das Gesicht Detes war von grauem Schleim bedeckt, den der Öhi sofort als das Blut der Niänenüütli erkannte.
    »Der Weg zu Euch gleicht einem Schlachtfeld«, sagte sie statt einer Begrüßung. »Wie kommt es, dass sich so viele Glaarä um diese Jahreszeit auf der Alp versammeln?«
    Er schaute die beherzte Person von oben bis unten an. »Es wird dein Hut sein, Dete«, antwortete er spöttisch. »So ein Gebilde hat das Aug eines Niänenüütli noch nie erblickt,
übrigens auch keines Menschen Auge.« Er lachte aus seinem Bart hervor.
    »So trägt man es jetzt in Frankfurt.« Sie nahm trockene Rinde, wischte ihr Kurzschwert ab und verstaute es im Mantel.
    Dete hatte im Sinn, ein freundliches Gespräch zu führen, darum zahlte sie ihm seinen Spott nicht heim, sondern zeigte aus dem Fenster, wo

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