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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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zusammenhielt.
    »Wer diese Wanne auch gebaut hat, muss es für einen Riesen getan haben«, scherzte die nackte Tinette. »Für zwei zarte Frauenzimmer ist darin allemal Platz.«
    Das Fräulein sah zu, wie das reizende Geschöpf ins dampfende Wasser stieg, sich bückte und Stück für Stück darin versank.
    »Ich werde es uns ein wenig abkühlen«, sagte sie und ließ Kaltes zulaufen. Nur Brust, Hals und Kopf waren noch nicht untergetaucht.
    Die Rottenmeier dachte nicht über ihren Ruf als Hausdame nach, nicht über die Sensation, dass sie sich noch keinem anderen Menschen so präsentiert hatte; sie band die Kordel auf, ließ den Morgenmantel von den Schultern gleiten, hob mit entschlossenem Griff ihr Nachthemd über den Kopf und stand da, wie Gott sie geschaffen hatte.
    »Sie haben eine zierliche Figur«, lächelte Tinette, »und eine feste Brust für Ihr Alter.«
    »Was würde sie glauben, wie alt ich bin?« Die Rottenmeier übernahm den vertrauten Ton.
    »Ein ganzes Stück unter vierzig?«
    »Oh, nicht doch, sie schmeichelt.« Sie lachte mädchenhaft und fasste, die Hitze prüfend, ins Wasser. »Vierundvierzig werde ich kommenden Winter. Nicht zu glauben, vierundvierzig, wo sind die Jahre geblieben?«
    »Nicht zu glauben, in der Tat.« Tinette zog die Beine ein wenig an, dass ihre Knie auftauchten. »Und so ein wohlgestaltetes
Frauenzimmer will keinem Mann aufgefallen sein, wenn die Frage erlaubt ist?«
    »Aufgefallen bin ich einigen.« Das Fräulein stieg hinein. »Doch sie haben mich abgeschreckt mit ihrer Wüstheit, ihrem würdelosen Vorgehen, ihrer Primitivität.«
    »Was hat sie anderes erwartet?« Tinette reichte ihr die Hand, damit sie sicher hinabgleiten konnte. »Der Mann ist primitiv von Grund auf. Ist ihr das nicht bekannt?«
    »Nicht im Eigentlichen.« Fräulein Rottenmeier saß in der Wanne. »Ich dachte immer, die Herren …«
    »Hör sie mir mit den Herren auf«, lachte Tinette. »Köter sind sie, schnuppernde, witternde Hunde, die nicht an sich halten können.«
    »Genau!«, rief das Fräulein. »Genau so habe ich sie mir immer vorgestellt, wenn ich sie mir … zuweilen vorgestellt habe.«
    »Wir aber, wir sind die Krone der Schöpfung, das Inbild der Schönheit«, gab Tinette zurück. »Wir mit unseren gewinnenden Zügen, der glatten Haut im Unterschied zur wollenen Brust der Männer und all der Wolle an den Beinen und sogar im Gesicht.« Sie schaute dem Fräulein fest in die Augen. »Ein nacktes Mannsbild würde sich im Zoo besser ausmachen als irgendwo sonst.«
    Die Beine der Rottenmeier, sie konnte es nicht verhindern, berührten die Glieder Tinettes. Die machte bereitwillig Platz, dass auch das Fräulein sich strecken konnte.
    »Und sie hat schon viele Männer in diesem Zustand gesehen?«, erkundigte sie sich scheu.
    »Gesehen, gehalten, gehabt«, nickte die andere.
    »So ist sie wohl keine Jungfer mehr?«

    Tinette zuckte die Schultern. »Wie sich’s ergeben hat, ist mir die Jungfernschaft irgendwann abhandengekommen.«
    »Wie ist das denn aber, wenn man mit einem Mann … wie stellt es sich dar?«
    »Das beantworte ich dir, wenn du mich endlich mit Du anredest, wie es zwei nackte Fräuleins im Bad tun sollten.« Tinette hob die Hand aus dem Wasser und streckte sie Rottenmeier hin.
    »Es spricht nicht eigentlich etwas dagegen«, kicherte die andere. »Außer, dass wir morgen natürlich wieder …«
    »Morgen ist unser Verhältnis wieder Hausdame und Dienstbote«, nickte Tinette. »Wie heißt du mit erstem Namen?«
    »Claire«, sagte die Rottenmeier. »Claire Theresia.«
    »Haben deine Eltern eine Vorliebe fürs Französische gehabt?«
    »So war es. Die Guten.« Rottenmeier legte den Kopf an den Wannenrand. »Sie sind lange tot.« Die Wärme, die Entspannung breiteten sich in ihren Gliedern aus.
    »Erzähl mir von dir, Claire.«
    »Ach, da gibt es nur wenig …« Das Fräulein guckte auf. »Andererseits, meine Kindheit war recht lustig.«
    Während Tinette zuhörte und von Zeit zu Zeit heißes Wasser zuließ, begann Fräulein Rottenmeier zu plaudern. Dabei plätscherten die beiden und ruderten mit den Armen und merkten nicht, dass draußen schon der Morgen die ersten Konturen aus der Finsternis hob.
    Die Einzige, die zu dieser Zeit ruhte, war Heidi. Auch sie hatte schwer einschlafen können, wie häufig in dieser Zeit, denn sobald sie allein war, und ringsumher wurde es still,
kam ihr alles lebendig vor Augen, was sie so sehr vermisste: die Alm, der Großvater, der Sonnenschein und die

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