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Heidi und die Monster

Titel: Heidi und die Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter H. Johanna;Geißen Spyri
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schon zur Vesper gegessen?«, erkundigte er sich.
    »Die andern mögen vespern«, sagte Brigitte. »Mir bekommt das Essen nicht gut.«
    »Immer noch der Magen?«
    »Es wird langsam besser. Später will ich mir Blutküchlein backen, die beruhigen und geben Schlaf.«

    Währenddessen gewahrte der Öhi, wie die Sonne sich bergseitig anschlich. Brigitte saß mit dem Rücken zum Gebirge, darum entging es ihr. Plötzlich brach rotes Licht hinter dem Dunstschleier hervor und beschien die alten Weiden, deren Blättchen noch zu klein waren, das Sonnenlicht aufzufangen. So fiel es mit Kraft auf den Rücken Brigittes. Zu welch schrecklicher Fratze sich deren Gesicht verzog! Sie riss die Augen auf und fasste mit beiden Händen an den Rücken, als ob dort ein böser Stachel eingedrungen wäre.
    »Nimm es weg! Es verbrennt mich!«, ächzte Peters Mutter und wusste nicht, dass ihr Bub hinter der Hausecke alles mit ansah.
    Der Alm-Öhi half ihr nicht, sondern wartete, dass der Dämon sich vollkommen offenbarte. Brigitte vermochte nicht aufzustehen, wand sich und keuchte und raufte ihr Haar. Mit eins riss sie den Mund auf und fletschte den Öhi an wie ein Raubtier. Da sah der Alte, was nicht zu sehen er gehofft hatte: die gierig hervorstehenden Schneidezähne, die einem Uuputztä sein unverwechselbares Aussehen geben. Endlich erbarmte er sich der armen Frau, warf seine Joppe über sie, hob sie auf seine Arme und trug sie ins Haus. Dort bettete er Brigitte auf ihr Bett, sie war in Ohnmacht gefallen.
    Peter und der Öhi setzten sich vor die Hütte, die weiche Abendsonne beschien sie. Der Großvater zündete sich seine Pfeife an.
    »Muss die Mutter auch gereinigt und erlöst werden wie die Adelheid?«, fragte Peter.
    »Das muss sie«, antwortete der Alte.
    »Heißt das, du musst den Hammer nehmen und auch ihr
ein Pflöckli mit frisch geschnitztem Spitz in die Brust rammen?«
    Der Öhi zog ein paarmal an der Pfeife und erwiderte nichts.
    »Bei deiner Tochter hast du gesagt: Es gibt keinen anderen Weg«, drängte Peter ihn zur Antwort.
    »Weil sie schon eingegraben und die Braut des Untoten geworden war. Kommt es einmal so weit, gibt es kein Zurück zu den Lebenden mehr.« Er zog die Brauen zusammen. »Deshalb musste ich den reinigenden Schlag führen.«
    »Was wird mit meiner Mutter?«
    »Es ist etwas Wunderbares mit Brigitte.« Der Öhi bedachte sich und seufzte. »Ich bin kein besonders gottesfürchtiger Mann, doch bei ihr kann ich die Macht des Allgegenwärtigen sehen. Sein Licht leuchtet in Brigitte, darum hat der Dämon den Kampf in ihr noch nicht gewonnen.«
    »Gibt es einen anderen Weg als den mit dem Pflock?«, fragte Peter hoffnungsfroh.
    »Es gibt einen. Dazu müssten wir jedoch die Wurzel des Übels kennen. Wir müssten des Blutsaugers habhaft werden, der Brigitte verunreinigt hat.«
    »Dann weiß ich Rat!«, lachte Peter. »Es ist kein Zweifel«, fuhr er auf Öhis erstaunten Blick fort. »Der Professor, dieser schwarz gekleidete Herr, der sich ein paar Tage im Dorf aufhielt: Er muss die Mutter gebissen haben.«
    Der Satz ging dem Großvater durch Mark und Bein. Seit er Heidi fortgegeben hatte und sie in der fernen Stadt in einem bewachten Haus wusste, war ihm fast das Herz zersprungen vor Sehnsucht nach dem Kind; zugleich hatte er seinen Entschluss gutgeheißen, sie vor dem mächtigen Untoten
zu schützen. Nun erfuhr der Öhi, dass Brigitte das Opfer ebendieses Professors geworden war, der kurz nach Heidis Abreise ebenfalls die Gegend verlassen hatte. Wilde Sorgen geisterten durch den Kopf des Alten: Hatte er nicht weit genug gedacht, als er Heidi aus seiner Obhut entließ? War der Untote ihr nachgereist, hatte er sie bereits in seinen Bann gebracht? Heidi, das liebe Wesen, sollte eine Uuputztä werden, eine ewig Verdammte?
    »Nein!«, rief er aus. »Das darf nicht sein! Wir müssen ihn aufspüren, müssen ihm das Handwerk legen!«
    Nie zuvor hatte Peter erlebt, dass der Öhi die Fassung verlor. Er sprang auf, schwang seinen dicken Stock und stieß wirre Absichten aus, von denen Peter wenig verstand.
    »Du musst mir helfen, Peter«, sagte er etwas ruhiger.
    »Das will ich. Wenn du mir sagst, wie.«
    »Ich glaube, ich weiß, wo der Uuputztä sitzt, der Unheil über deine Mutter gebracht hat.«
    »Sag’s mir!«, rief Peter. »Sag es mir gleich!«
    Der Großvater zündete sich die Pfeife zum zweiten Mal an. Gemeinsam schmiedeten sie einen Plan.

Kapitel 17

    »Das Kind ist schwer von Begriff«, sagte die Rottenmeier. Sie trug

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