Heidi und die Monster
zerschmetterte seinen Schädel. Wie das nach allen Seiten spritzte! Das Mädchen lachte und wandte sich dem Nächsten zu.
»Heidi, zurück!«, rief Peter.
Sie hörte nicht auf ihn. Fechtend sah er, sah auch Tinette mit an, wie das Kind mit seinem Prügel unter den Angreifern wütete. Es war so klein, dass es in der Masse der Glaarä verschwand, doch immer wieder tauchte es auf, und jedes Mal hatten weitere Niänenüütli daran glauben müssen.
»Das ist der Dämon«, sagte Tinette und spießte einen Glaarä am Brustbein auf. »Er wirkt schon in ihr. Der Dämon gibt ihr die Kraft.«
Statt einer Antwort rammte Peter einem besonders Grausigen das Schwert in den Schlund. »Vorsicht, Heidi!«, rief er.
Gerade noch rechtzeitig; das Kind wirbelte herum und prügelte einen Glaarä so lange, bis er nur noch Staub und Brei war. »Und du! Und du auch noch!«, schrie es dabei und schlug den Monstern die geistlosen Köpfe ab.
Mit eins kamen zwei kräftige Glaarä dem braven Pferd gefährlich nah. Sie packten es an der Flanke und am Hals und hätten ihre Zähne gewiss hineingeschlagen, wäre Heidi nicht mit dem Prügel zur Stelle gewesen.
»Lasst das Pferdchen zufrieden!« Mit mächtigen Streichen vertrieb es die beiden, sprang ihnen nach und machte ihnen von hinten den Garaus. Die übrig gebliebenen Niänenüütli sahen ein, dass sie ihren Hunger an dieser Reisegesellschaft nicht stillen würden, und taumelten missmutig in den Wald zurück.
Tinette hob Heidi auf den Kutschbock, sie und Peter musterten das Kind.
»Danke«, sagte er.
»Ohne dich wäre es anders gekommen«, bestätigte Tinette. »Jetzt leg dich schlafen, ich fahre weiter.«
»Schlafen, wo ich gar nicht müde bin?« Heidi lachte. »Die ganze Nacht könnte ich Niänenüütli verprügeln, das war ein Spaß!«
Auch daran erkannten Heidis Gefährten, dass das Kind der Macht des Dämons allmählich unterlag. Er wuchs und wurde stärker; am Ende würde er für Heidi die Nacht endgültig zum Tag machen, dann drohte ihr das schreckliche Wandeln im Zwischenreich.
Kapitel 24
Professor Marus wartete auf dem Friedhof. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, Heidi zu verfolgen, kannte er doch ihr Ziel. Der Boden, auf dem er stand, war geweiht, das kümmerte ihn nicht; er wollte, bevor er sein Werk vollenden würde, ruhen. Die Nacht lichtete sich, vor dem nächsten Abend war mit dem Eintreffen der Flüchtenden nicht zu rechnen.
Unterwegs hatte Marus zweimal die Gestalt gewechselt, war als Wolf aus Frankfurt hinausgeschlüpft, hatte sich bei gutem Wind auf den Schwingen der Fledermaus über das Badische und den nördlichen Schwarzwald erhoben, sich für den Rest der Reise aber der Flügel des Raben bedient. Als solcher war er in Zürich gelandet, von wo aus er bequem die Eisenbahn bis Maienfeld genommen und schließlich zu Fuß das Dörfli erreicht hatte.
Er fand den Gottesacker für sein Ruhebedürfnis geeignet, suchte die Familiengruft einer reichen Bauernfamilie aus und zerschmetterte die Grabplatte. Professor Marus begab sich ins Innere, legte sich, in seinen Mantel gehüllt, auf den Sarkophag, schloss die Augen und schlief.
Während ein friedlicher Tag über dem Prättigau anhob und die morgendlichen Sonnenstrahlen in den Zweigen der Palmkätzchen spielten, regte sich in der Heimstatt der Toten merkwürdiges Leben. Es hatte sich eingebürgert, dass die Unaussprechlichen heiligen Grund und Boden zu ihrem Terrain erwählt hatten und sich allnächtlich dort trafen. Da die Niänenüütli mehr Tier als Mensch waren, versammelten sie sich aus keinem bestimmten Grund, sondern lediglich, um wie eine Herde beieinander zu sein. Dicht an dicht standen sie unter der Jahrhundertulme, glotzten vor sich hin, und diejenigen, die noch Kehlen, Kiefer und Zähne hatten, murrten und heulten und knirschten. Es war ein friedlicher Reigen, diese Gemeinschaft Ausgestoßener, die nichts zu hoffen noch zu fürchten hatten, außer irgendwann Erlösung zu finden. Die traurigen Geschöpfe waren durch ihre Gefühllosigkeit grau geworden, die Dämmrigkeit ihrer Sinne ließ die Nacht ereignislos an ihnen vorüberstreichen. Die erste Sonne zeigte ihnen an, dass es Zeit war, auf Nahrungssuche zu gehen.
An diesem Morgen weckte die Unaussprechlichen nicht die Sonne, sondern die Anwesenheit eines Geschöpfs, das den Niänenüütli haushoch überlegen war. Zwar hatte es gleich ihnen sein irdisches Dasein abgelegt, war aber unvergleichlich mächtiger als sie. Der Vampir besaß im Unterschied zu
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