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Heile Welt

Heile Welt

Titel: Heile Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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rechte Seite muß frei bleiben für den Schulrat.
    Zur Unterstützung Frohrieps, der offenbar nicht recht durchdrang mit den Ordnungsanweisungen, verließ der Rektor seinen Wartepunkt und eilte den Ankömmlingen entgegen. Er klatschte in die Hände und rief:«Lihinks! links! Ja?»
    «Sie sind doch auch der Meinung, daß das besser aussieht, ja?»

    «Sind wir alle fröhlich? Ja?»fragte er sodann die brummelnden Junglehrer, und dann bat er nochmals mit Nachdruck darum, daß sämtliche Fahrzeuge also links, und zwar ordentlich aufgestellt würden, ordentlich nebeneinander. Er mochte dabei an seine Krad-Einheit denken, die er zu Beginn des Polenfeldzugs befehligt hatte: Damals hatten die Motorräder auch immer so schön nebeneinander gestanden, das Vorderrad mit dem Nummernschild leicht eingeknickt, der Fahrer in Kleppermantel und Stahlhelm stramm daneben.
    Eine vergleichbare Ordnung ließ sich hier nicht herstellen, die«fahrbaren Untersätze»der Lehrer waren denn doch zu verschieden. Außerdem neigten die Junglehrer in peripheren Fragen gern zu Widersätzlichkeit, wie zahm sie auch sonst sein mochten. Der Rektor eilte also in seinen strategischen Auffangwinkel zurück. Er rieb sich die Hände, so wie er es immer tat: Nach ihm die Sintflut! Er hatte sein Möglichstes getan! Das grölende Lachen, das dort unten aufwallte, mochte sich wohl nicht auf ihn beziehen.

    Nun kam ein größeres Mädchen gelaufen, knickste und meldete, daß sich die großen Jungen schon wieder in der Sprunggrube aufhalten, was sie laut Schulordnung nicht sollten. Der Sportplatz und der Schulhof befanden sich hinter dem Schulgebäude, sie konnten vom Eingangsbereich aus nicht eingesehen werden. Nur mit Hilfe eines Straßeneinmündungsspiegels hätte sich das deichseln lassen. Ein Mangel, der immer wieder zu organisatorischen Mißhelligkeiten führte. – Hier nun mußte unverzüglich eingeschritten werden! Der Rektor faßte sich an den Kopf: Wenn das eine Viertelstunde später passiert wäre! Unter den Augen des Schulrats! Nicht auszudenken! Widerlich! Und er konnte hier doch nicht fort! Er mußte hier doch jetzt stehenbleiben und die Honneurs machen und achtgeben, daß das Junglehrervolk nicht über die Rabatten fuhr mit ihren Vehikeln, was sie nicht taten, was ihnen aber zuzutrauen war. – Doch ruhig Blut! Ein älterer Kollege verteilte an die Schüler bereits Maulschellen von der frischesten Sorte.

    Das war die Situation, als Matthias mit seinem Fahrrad auf den Parkplatz fuhr, kräftig mit dem Staubmantel wolkend. Vor der Gruppe seiner Kollegen machte er halt. Die jungen Leute standen mehr oder weniger im Kreis und wippten auf den Zehenspitzen. Er würde sich nun dazustellen müssen und auch wippen, die Hände auf dem Rücken.
    Während er noch die Hosenklammern abnahm, trat ein junger Mann auf ihn zu, das war Stichnoth, der am selben Tag wie er beim Schulrat vereidigt worden war, und zwar unter Vermeidung des Wortes«Gott». Er bog Matthias die rechte Jackentaschenklappe aus der Jackentasche heraus, von so was sei er kein Freund, eigenartig, nicht? halb eingeklappte Jackentaschenklappen könne er nicht leiden, nächste Stufe: Hosenstall offen, nicht wahr? Also lieber gleich die Jackentaschenklappe ordentlich über die Jackentasche legen. Oder es ihm gleichtun: Er habe halbe Streichhölzer in die Nähte geschoben, die hielten die Klappen steif. Alte Zahnstocher täten’s natürlich auch.
    Das verknäuelt sonst so.
    In dreißig Jahren würde es heißen: Weißt du noch, Willem, wie du mir damals die Jackentaschenklappe aus der Jackentasche herausgeholt hast?

    Ein Teil der jungen Lehrer – offizielle Bezeichnung«Lehrer Zett-A»-führte das großeWort:«Woas, du hast das E noch nicht eingeführt?»Zum Teil verhielten sie sich aber auch still, vielleicht aus Angst vor unberechenbaren Katastrophen, die sie heute treffen konnten, vielleicht fiele das Protokollschreiben diesmal auf sie, oder die böse Nachricht, daß sie die nächste Vorführstunde zu geben hätten, in vier Wochen.
    «Was willst du denn mit dem Fahrradanhänger?»wurde Matthias gefragt.

    Nun traf in einem Volkswagen mit Dachgepäckträger der Kollege van Dechterong ein, ein massiger Mann ostfriesischer Abstammung, kurz vor der Pensionierung stehend. Das war der AG-Leiter, dem die jungen Leute zur Ausbildung anvertraut worden waren. Der Rektor winkte ihn an einen bevorzugten Platz, rechts! nicht links zum Gesocks! Aber Vorsicht, nicht unter die Linde! Die Lindenblüten

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