Heile Welt
eingeschriebener Kommunist, und bei den Nazis dann im KZ umgekommen. Letzteres mache ersteres wieder wett, es bleibe aber ein«Deffizitt», weswegen ja auch keine Ausstellung seiner Werke zustande komme, weder in Bremen noch sonstwo. Das Kreismuseum besaß von ihm ein Triptychon in Taschenformat, wie ein kleiner Reisealtar – ein bißchen in der Manier von Beckmann. Im übrigen rücke dessen Tochter nichts heraus, die halte den Deckel auf dem Topf. Müllermann kam auch auf die verworrenen Besitzverhältnisse im Hause Kallroy zu sprechen und stellte laut und deutlich die rhetorische Frage, wieso es zu der Testamentsänderung gekommen sei, eine dunkle Angelegenheit. So eitel Honig sei es wohl nicht gewesen zwischen Vater und Tochter. Und er drehte dabei die Hand in der Luft: Nichts genaues wisse man nicht.
Dr. Müllermann-Ohfe hatte eine zänkische Frau, die begleitete ihn manchmal und verdarb dann vieles von dem, was er sauber eingefädelt hatte, durch mokantes Dazwischenreden. So war es auch bei den Kallroys gewesen. Kurz bevor er eine sehr schöne Ansicht vom Fronhus habe erwerben können, habe sie zu der Tochter spitze Bemerkungen gemacht über die roten Neigungen ihres Vaters, und da sei der Kuchen natürlich sofort zusammengefallen… Diesmal war er allein nach Klein-Wense gekommen, letzte Messungen anstellen, bevor die Leute sich einen Metallzaun setzten, und während er sprach, überlegte er, ob er sich bei Mutter Schulz noch ein Bier genehmigen sollte und den jungen Herrn dazu bitten, damit er ihn bei der Gelegenheit etwas näher kennenlernt, man kann nie wissen? – Aber besser nicht, das konnte man immer noch tun, und außerdem war es auch schon spät, die Frau wartete gewiß schon, die mußte er noch zur Heißmangel fahren.
Für ihr geduldiges Ausharren sollten die Kinder entschädigt werden durch rasante Schußfahrt den Hang hinunter.«Festhalten!»rief Matthias, und ab gings mit Karacho. Der Kreismuseumswart sah es denn auch kommen. Auf halbem Weg schmiß es Matthias um!, und die Kinder, so sehr sie sich auch anklammerten, fielen heraus. Der Junge fing sofort an zu heulen, er hatte sich ein sogenanntes Loch in den Kopf gefallen, also eine Schramme davongetragen, die sogar etwas blutete. Matthias pustete drauf, wie das Mütter tun, setzte die beiden wieder in den Kasten und schob das Rad behutsam ins Dorf zurück.
Dort begegnete ihm Charly, der Dorfpolizist von Sassenholz, sein Fahrrad führend und seinen Hund. Der hatte das natürlich gesehen, was Matthias an Unverantwortlichem sich hier soeben geleistet hatte, und nun stoppte er ihn – Beamte unter sich – und begann ein Kennenlerngespräch. Daß er hier einen so jungen Lehrer begrüßen darf, sagte der Polizist, das freut ihn, aber das muß er denn nun doch sagen, daß der Transport von Menschen in einem Fahrradanhänger absolut unzulässig sei. Wie leicht kann die Halterung sich lösen! – Sonst ist ja alles in Ordnung und absolut vorschriftsmäßig, aber das um Gottes willen nie wieder tun, Kinder in einem Fahrradanhänger transportieren. Er hätte neulich einen Bauern gestellt mit einem lebenden Schwein auf einer Schubkarre! Matthias könne sich ja gar nicht vorstellen, was er hier so alles erlebt. Im übrigen kenne er seine Pappenheimer.
«Wie konnten Sie auch so etwas tun, Herr Kollege», würde es heißen, wenn die Sache in Lehrerkreisen ruchbar würde,«sie haben das Vertrauen der Kinder gröblich getäuscht.»
Mit dem Schulrat brauchte indessen nicht telefoniert zu werden: Als Matthias die beiden Kinder zu Hause ablieferte, lachten sie schon wieder, sie hatten vierzöllige Sahnestangen geschenkt bekommen, einen Groschen das Stück.
Auch dem Fräulein von Kallroy begegnete er im Dorf bei einer seiner Erkundungstouren. Sie fuhr in ihrem FIAT eine Weile hinter ihm her, bis sie ihn endlich überholen konnte. Er winkte ihr zu – wohl ein wenig zu vertraulich, denn sie reagierte nicht. Wollte sie sich nicht kompromittieren?
15
Die Arbeitsgemeinschaft für Junglehrer fand wie immer an einem Mittwoch statt; diesmal war der Lehramtsanwärter Frohriep in Poggenreich an der Reihe.
«Erscheinen ist Pflicht. Fahrtkosten werden erstattet.»
Der Rektor des Schulzentrums Poggenreich-ein kleiner strammer Daumen mit Kopf – stand im Eingang des«ersten Nachkriegsschulneubaus des Kreises Kreuzthal»und rieb sich die Hände: Etatplanung, Schülerstatistik und Inventarlisten – alles in Ordnung, nun mal sehen, ob sonst auch alles klappt! Der
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