Heilige Mörderin: Roman (German Edition)
aber Junko behauptete, alles sei in bester Ordnung. Ayane überlegte gerade, ob sie ihre Freundin in ihre Beziehung zu Yoshitaka einweihen sollte, als diese unvermittelt erblasste.
»Was ist denn los?«, fragte sie, aber Junko stand auf, ohne auf die Frage zu antworten. Es sei ihr plötzlich eingefallen, dass sie noch etwas zu erledigen habe, sagte sie abrupt und verabschiedete sich.
Erstaunt begleitete Ayane sie zu einem Taxi. Es war, wie sich später herausstellte, ein Abschied für immer.
Fünf Tage später erhielt Ayane mit der Post ein Päckchen, in dem sich eine Plastiktüte mit einem weißen Pulver befand. Auf der Tüte stand mit Filzstift »Arsensäure (giftig)«. Die Absenderin war Junko.
Ayane kam ein schrecklicher Verdacht. Nachdem sie vergeblich versucht hatte, Junko zu erreichen, fuhr sie in äußerster Sorge zu ihrer Wohnung. Die Polizei war bereits dort. Von Schaulustigen erfuhr sie, dass eine Bewohnerin des Hauses sich vergiftet habe.
Später konnte Ayane sich nicht erinnern, wo überall sie umhergeirrt war. Als sie wieder zu sich kam, war sie zu Hause und starrte auf das Tütchen, das Junko ihr geschickt hatte. Während sie darüber nachdachte, welche Botschaft sich dahinter verbergen mochte, fiel ihr jäh etwas ein. Bei ihrer letzten Begegnung mit Junko war ihr gewesen, als hätte diese besonders lange auf ihr Handy gestarrt. Ayane holte es hervor.Die Schlaufe, mit der man es am Handgelenk tragen konnte, hatte sie zusammen mit Yoshitaka gekauft. In ihr wuchs die schreckliche Gewissheit, dass Junko sich getötet hatte, weil ihr plötzlich klargeworden war, dass Ayane und Yoshitaka ein Verhältnis hatten. Doch Junko hätte sich bestimmt nicht wegen einer einseitigen Schwärmerei umgebracht. Also musste auch sie eine Liebesbeziehung zu Yoshitaka gehabt haben.
Ayane ging nicht zur Polizei. Und auch nicht zu Junkos Bestattung.
Kurze Zeit später machte Yoshitaka ihr einen sonderbaren Vorschlag. Sie sollten getrennt zu einer Single-Party gehen und so tun, als würden sie sich dort kennenlernen. »Um Unannehmlichkeiten zu vermeiden«, hatte er gesagt. »Leute, die nichts Besseres zu tun haben, fragen doch immer so gern, wo man sich kennengelernt hat. Ich will nicht, dass man sich die Mäuler über uns zerreißt. Am einfachsten ist es, wir sagen, wir hätten uns auf einer Party kennengelernt.«
Im Grunde hätten sie das ja auch sagen können, ohne tatsächlich an einer solchen Party teilzunehmen, aber Yoshitaka hatte schon alles arrangiert. Ikai sollte als Zeuge ihrer Begegnung fungieren. Derartige Pedanterie war typisch für Yoshitaka, aber Ayane argwöhnte, dass er in Wirklichkeit Junkos Schatten aus seiner Vergangenheit tilgen wollte. Dennoch behielt sie ihren Verdacht für sich. Sie ließ ihm seinen Willen, ging zu der Party und spielte wie verabredet ihre Rolle. Mit der Zeit verstanden sie sich immer besser, und ein halbes Jahr später machte Yoshitaka ihr einen Heiratsantrag.
Obwohl Ayane sehr glücklich war, nahmen ihre Zweifel von Tag zu Tag zu. Der Gedanke an Junko ließ sie nicht los. Warum hatte ihre Freundin sich getötet? Was hatte sich zwischenihr und Yoshitaka abgespielt? Ayane war hin und her gerissen zwischen ihrem Bedürfnis, die Wahrheit zu erfahren, und dem Wunsch, den Kopf in den Sand zu stecken. Unterdessen rückte der Tag ihrer Hochzeit immer näher.
Eines Tages dann eröffnete Yoshitaka ihr seine schockierende Absicht. Wahrscheinlich war ihm nicht einmal bewusst, wie kaltschnäuzig seine Worte klangen.
»Wenn wir ein Jahr nach der Hochzeit noch kein Kind bekommen, lassen wir uns scheiden, ja?«
Ayane traute ihren Ohren nicht. Sie waren noch nicht einmal verheiratet, und er sprach bereits von Scheidung. Zuerst hielt sie es für einen Scherz, aber allem Anschein nach sprach er in vollem Ernst.
»Ich hatte das von Anfang an so vor. Mein Limit ist ein Jahr. Die meisten Paare bekommen, wenn sie nicht verhüten, ziemlich rasch ein Kind. Wenn nicht, stimmt wahrscheinlich mit einem der beiden Partner etwas nicht. Mit mir ist alles in Ordnung. Ich habe mich untersuchen lassen.«
Ayane starrte ihn an.
»Hast du das damals auch zu Junko gesagt?«
»Wie bitte?« Yoshitaka hielt ihrem Blick nicht stand. Für seine Verhältnisse wirkte er außergewöhnlich bestürzt.
»Antworte mir bitte ehrlich. Hattest du eine Beziehung mit Junko?«
Yoshitaka runzelte ärgerlich die Stirn. Aber er versuchte nicht, sie zu belügen. Obwohl es ihm sichtlich schwerfiel, gab er es zu.
»Ich
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