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Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?

Titel: Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan;Weiss Bonner
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einem vom Kreuz gestiegenen Jesus, der unter dem Slogan »Lachen statt Rumhängen« vor dem Fernseher sitzt, erregte Unbill in christlichen Fraktionen. Für uns umso mehr ein Grund, uns das Spektakel anzusehen: Die erste Folge von Popetown , eingebettet in eine Diskussionsrunde mit Kritikern aus Kultur und Kirche, erreichte eine Traumeinschaltquote.
    Jesus ist uns dann willkommen, wenn er in der Bullyparade seine Jünger durch die Wüste geleitet, die alle fünf Meter aufs Klo müssen oder ein Eis wollen, oder wenn Dirk Bach als Heiland bei »Germanys next Godmodel« von einem Bruce-Darnell-Verschnitt mit den Worten »Baby, so geht das nicht! Der Kreuze musse leben. Ich will Drama, Drama, Drama!« einen Einlauf bekommt. Bach als Jesus lud außerdem zur Sendung »Das perfekte Abendmahl« in Nazareth ein und servierte dabei ein Überraschungsmenü aus Fisch und Wein. »Das kann eigentlich jeder, solange er Gottes Sohn ist«, schwadroniert er. Bei Switch Reloaded ging es derweil um »The Fabulous Life of Joseph Ratzinger«, und Petra Nadolny brillierte als Elke Heidenreich mit einer Kritik der Bibel: »Romantik kommt mir in diesem Sittengemälde etwas kurz«, lautet ihr Verdikt, »aber immerhin wird am Ende wenigstens genagelt.« In einer der Parodien sitzt Jesus als Gast bei Herrn Beckmann, der ihn zur unbefleckten Empfängnis ausfragt.
    Auch skurrile Websites wie jesusdressup.com, auf der wir den Heiland als Anziehpuppe mit Supermannkostüm oder Elvis-Toupet neu einkleiden können, finden wir eher belustigend als blaspehemisch. Vielleicht kommt unsere Liebe zur Verballhornung auch daher, dass viele sich des Gefühls nicht erwehren können: Hätte der Junge damals Wein in Wasser verwandelt, dann hätte sein Club sich niemals durchgesetzt.
    Die Generation Gottlos hat sich vom Allmächtigen und der Kirche verabschiedet. Was bleibt, ist der größte Bestseller aller Zeiten – die Bibel, die bombastischste Seifenoper, die je geschrieben wurde. Selbst wer sich für ein freiheitliches Leben ohne Gott entschieden hat, behauptet gerne, dass er »Sein Wort« gelesen hat. Die Deutschen wählten das Buch der Bücher 2004 auf Platz zwei ihrer Liste der fünfzig beliebtesten Schmöker – höher in der Gunst stand nur ein noch längeres Heldenepos: Der Herr der Ringe . Auch wenn man nicht an Gott als Autor glaubt, soll der Wälzer viele Lebensweisheiten parat halten, die einem heute noch weiterhelfen. Stimmt das wirklich? Wir haben uns die über zweitausend Jahre alte Geschichte angeschaut und sie einem kleinen Härtetest unterzogen ...

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PSALMEN HABEN KURZE BEINE
    Was man der Bibel
noch glauben kann

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    T hat’s a great Jesus!« , schwärmt die Texanerin, die sich offenbar in den Hauptdarsteller der Passionsspiele verguckt hat. »I wanna kiss this guy!« Amerikanische Bibelfans sind in Scharen nach Oberammergau gekommen, und man hat fast den Eindruck, das kleine Alpenkaff läge nicht im Süden der Republik, sondern im Wilden Westen. Die Passion ist für sie ein praktisches Two-in-one- Erlebnis: Nicht nur, dass der bayrische Broadway seit 1680 alle zehn Jahre das Bibeldrama aufführt – hier kann auch jeder, der von weither kommt, Deutschland als schönstes Klischee erleben, samt Bazis, Brez‘n, Bergpanorama und Bierkrügen. Um uns herum sind in der Halbzeitpause an den Stehtischen und in den kleinen Grüppchen vor dem Eingang allerlei amerikanische Akzente zu hören. »Wonderful« und »marvellous« sind die am häufigsten verwendeten Worte. Man könnte glatt meinen, man wäre mitten in einem Musical von George Gershwin gelandet.
    Der Oktobertag neigt sich gen Abend, und es wird bereits ein wenig schattig, deshalb hoffen wir, dass die Passionsspiele in der zweiten Hälfte endlich an Fahrt aufnehmen und uns einheizen. Wir schieben uns durch die engen Sitzreihen zurück zu den Plätzen. Das Open-Air-Festspielhaus ist bis auf den letzten Stuhl voll besetzt. Heimelig ist die Halle jedenfalls: Unsere Knie kuscheln mit der Rückenlehne des Vordermannes. Was ist nur, wenn man in den knapp drei Stunden nach der Pause mal zum Klo muss – oder was, wenn einer der vielen Rentner vor lauter Begeisterung einen Herzkasper bekommt?
    Bibel on Stage ist wirklich eine Offenbarung, finden wir. Wer keine Lust zum Lesen hat und sich die Testamentsverkündung auch nicht von Ben Becker als Hörbuch vorbrummen lassen möchte, der hat in Oberammergau die Chance, sich Leben und Sterben Christi in knapp sechs Stunden am Stück

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