Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?
worden, nicht zuletzt deswegen, weil der Konzern nicht auf transparente Geschäftsprozesse setzt. Es fehlt an Glaubwürdigkeit. Die Nachfrage auf dem deutschen Markt ist deshalb zusammengebrochen. Die Gläubigen haben dem Vorstand die Entlastung verweigert. Der Allmächtige hat seinen Posten geräumt, das Bodenpersonal kann entlassen werden.
»Immer mehr Menschen glauben an Wiedergeburt, regenerative Energien und Brustvergrößerung. Immer weniger Menschen glauben an Gott, geschlossene Immobilienfonds und die Rente.«
Dieter Nuhr
Doch was würde uns erwarten, wenn wir wirklich ganz auf Kirche und Religion verzichten? Wenn man dem Vatikan glaubt, ist die Antwort eindeutig: Chaos und Verdammnis. Papst Benedikt xvi . warnte noch vor dem Weltjugendtag 2011, dass »die Welt ohne Gott zu einer Hölle wird«. Auch aus wissenschaftlicher Sicht ist es vielleicht gar nicht so klug, auf himmlischen Beistand zu verzichten. Forscher wie der Anthropologe Richard Sosis haben herausgefunden, dass religiöse Gemeinschaften in der Geschichte im Schnitt eine vierfach höhere Überlebenswahrscheinlichkeit besaßen als jene, die keinem Glauben angehörten. Tatsächlich waren vor allem solche Gemeinschaften von Bestand, die den Lebensstil ihrer Anhänger besonders stark reglementierten. Der Publizist Ulrich Schnabel sieht in seinem Buch Die Vermessung des Glaubens gar einen Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg einer Gesellschaft und ihrer Religiosität: »Vermutlich hat sich das Christentum auch deswegen auf der ganzen Welt verbreitet, weil diese Religion das ökonomische Denken eher fördert als hemmt.« Weitere gern genannte Argumente für einen gottgefälligen Lebensstil: Gläubige Menschen sind glücklicher, sie bekommen im Durchschnitt mehr Kinder als nichtreligiöse, sie sind strebsamer, hilfsbereiter und ehrlicher. Für die Aufrechterhaltung des klerikalen Treibens sprechen danach die Aufrechterhaltung von Werten, Moral und Sozialsystem.
Klingt ganz danach, als stünden genauso viele Dinge auf der Pro- wie auf der Contra-Seite. Sie müssen sich nur noch entscheiden. Doch wem wollen Sie glauben? Immerhin gibt es keine Beweise: Manches muss man einfach glauben – oder eben nicht. Glauben Sie beispielsweise an die Jungfrauengeburt? An einen allmächtigen Schöpfer, bei dem man gleich drei Götter für den Preis von einem bekommt? Und wie finden Sie die Zehn Gebote? Sie können natürlich auch an gar nichts glauben, außer, dass selbst der Tod nicht umsonst ist und es einen am besten an der Theke oder bei Ausübung der schönsten Nebensache der Welt mit einem attraktiven Partner erwischt. Und dann stehen auch noch Schutzengel, Horoskope, Heilsteine aus Atlantis und die Kraft von magischen Händen zur Auswahl, die allesamt um Ihre Gunst buhlen.
Es muss nicht immer Christentum sein: In Sachen Religion ist Deutschland heute so vielfältig und unübersichtlich wie nie zuvor. Früher lief das alles geordneter, da gab es nur zwei große Konfessionen in Deutschland, von jeder aber reichlich: Die beiden Amtskirchen teilten die Bundesbürger zu ziemlich gleich großen Teilen unter sich auf. Statistisch gesehen. Heute ist das anders: Unser Land steckt in einem großen Transzendenztohuwabohu. Es gibt Menschen, die glauben alles Mögliche. Manche stellen sich vor, es gäbe unsichtbare Teekannen, die um die Sonne kreisen, andere finden sich zusammen, um Rituale für ein fliegendes Spaghettimonster abzuhalten. Wir wissen nicht mehr, was andere glauben, was genau wir selbst eigentlich glauben und wem wir überhaupt noch glauben könnten, wenn wir das wollten. Zu diesem unglaublichen Glaubenskompott, in dem wir stecken, fällt uns nur eines ein: Heilige Scheiße! 1
Derzeit ist Religion einer der beliebtesten Gesprächsstoffe, und Befürworter und Gegner streiten in Print und TV so heftig wie seit langem nicht mehr: So zofften sich zum Beispiel prominente Atheisten und Gläubige beim Diskussionsabend »Disput Berlin!«. Der Pressereferent der Giordano Bruno Stiftung, Philipp Möller, erklärte das Christentum zur Tradition eines »primitiven Hirtenvolkes« und zitierte Albert Einstein, der die jüdische Religion einmal den »Inbegriff des kindischsten Aberglaubens« genannt hatte. Gefundenes Fressen für Wilhelm Imkamp, Theologe und Wallfahrtsdirektor, der daraufhin schimpfte: »Ich ärgere mich nur, dass Sie im Namen von Aufklärung vom jüdischen Aberglauben sprechen. Und die jüdische Religion disqualifizieren! Und dann kommen
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