Heilige Scheiße - Bonner, S: Heilige Scheiße: Wären wir ohne Religion wirklich besser dran?
durch Ausscheidungsprodukte der Pille«, schrieb Pedro José Mario Simon Castellvi, Präsident des Internationalen Verbandes der katholischen Medizinervereinigung. Die große Gefahr gehe dabei von den Ausscheidungen der Frauen aus, mit denen sie seit Jahrzehnten »Tonnen von Hormonen« in Umlauf brächten. Dass Medikamentenfilterung in Kläranlagen nur unzureichend funktioniert, ist ein Problem – aber die Stoffe gelangen nur in homöopathischen Dosen ins Wasser. Die Herren der Schöpfung brauchen sich vermutlich nur wenig Sorgen darum zu machen: Betroffen sind bisher Fische, die in der Nähe von Kläranlagen leben. Bei ihnen wurden zum Teil Geschlechtsumwandlungen durch Östrogene aus der Anti-Baby-Pille festgestellt.
Kein Grund für strenggläubige Katholiken, ihre Überzeugung zu verwässern – es soll alles beim Alten bleiben. Das gilt übrigens auch fürs Handspiel im Strafraum. Der Katechismus der katholischen Kirche sagt dazu in etwas bürokratischem Stil: »Masturbation ist die absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane, mit dem Ziel, geschlechtliche Lust hervorzurufen. Tatsache ist, dass sowohl das kirchliche Lehramt (...) als auch das sittliche Empfinden der Gläubigen niemals gezögert haben, die Masturbation als eine in sich schwere ordnungswidrige Handlung zu brandmarken.« Das schreit nach einer Gebührenordnung, um Geld daraus zu schlagen. Zeit für einen kleinen Businessplan: Laut dem Wirtschaftsmagazin The Economist verdient die Pornobranche jährlich weltweit zwanzig Milliarden Dollar. Darüber hinaus zeigen zwölf Prozent der Internetseiten pornografische Inhalte, das sind rund fünfundzwanzig Millionen Websites. Nur wenige Menschen geben es zu, aber seien wir ehrlich: Irgendwo auf der Welt müssen verdammt viele Leute vor dem Computer oder dem Fernseher sitzen und aus katholischer Sicht ordnungswidrige Handlungen an sich vornehmen. Tagtäglich begehen also Millionen, ach was, Milliarden Menschen eine sträfliche »absichtliche Erregung der Geschlechtsorgane«. Wie wäre es also, wenn die Schweizer Garde Katholitessen entsendet, die weltweit Pornoknöllchen schreiben?
»Das also ist das Werteverständnis der katholischen Kirche: Kondom beim Sex? – Um Gottes willen. Das Befummeln von Kindern, ihre systematische Vergewaltigung und Folterung? Nun ja, wir sind schließlich alle fehlbar.«
Karen Duve
Um fair zu bleiben: Jeder Unternehmer und Geschäftsführer wird bestätigen, dass es verdammt schwer ist, eine Firma mit eingefahrenen Strukturen auf den neusten Stand zu bringen. Wie soll das also erst bei einem Global Player sein, der seit über zweitausend Jahren im Geschäft ist? Dies ist wohl der Grund dafür, dass sich sowohl die katholische Bischofskonferenz wie auch die ekd bereits Unternehmensberater wie McKinsey ins Haus geholt haben, die konstatierten, die Kirche sei als Marke »beneidenswert attraktiv«, aber auch »dramatisch gefährdet«.
Selbst die vermeintlich relaxtere evangelische Kirche tut sich mit ihren Altlasten schwer. Es fängt schon beim vielgepriesenen Augustinermönch Martin Luther an, den die Protestanten bis heute zum Helden verklären – der war nämlich nach heutigen Maßstäben ein echtes Ekelpaket. Er unterstützte die Hexenverfolgungen – »Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen ... Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an«, heißt es in einer seiner Predigten von 1526. Behinderte wollte Luther ersäufen, denn sie seien »wahre Teufel«, Ehebrecher wollte er mit dem Tode bestrafen, und für Frauen sei es nur recht, wenn sie an den Folgen der Niederkunft stürben: »Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur [...], sie sind darum da.« Auch aus seinem Judenhass machte er keinen Hehl. So plädierte Luther dafür, »dass man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich«. Der Psychiater und Philosoph Karl Jaspers stellte 1962 trocken fest: »Hitler hat Luthers Ratschläge gegen die Juden genau ausgeführt.« Kann man den Bibelübersetzer und Ablasskritiker Luther von dem Antisemiten und Menschenfeind trennen – oder müsste man sich von Kirchenseite nicht wenigstens vernehmbarer zu den schrägen Ansichten ihrer Gründerfigur äußern?
Auch in
Weitere Kostenlose Bücher