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Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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Stimmengewirr von Ermahnungen und Entmutigungen erhob sich zur Bekräftigung dieser Bemerkung. Der Mann sah sich gekränkt um.
    »Was soll’n das heißen, hier is’ kein Platz?« sagte er laut. »Meinen Se etwa, ich bleib die ganze Zeit da draußen auf’m Gang? Da täuschen Se sich aber gewaltig, ja?« Er kam so richtig in Fahrt. »Nur weil Se erster Klasse reisen, haben Se noch lange kein Recht, den ganzen Zug in Beschlag zu nehmen, ja? Leute wie ich bleiben nich’ die ganze Zeit auf’m Gang stehen, nur damit ihr vornehmen Pinkel bequem die Beine ausstrecken könnt, ja?« Er regte sich immer mehr auf. »Ich hab genau wie Sie für ’nen Sitzplatz bezahlt, ja? Da « – er stieß mit einem Finger auf den dicken Mann zu, der vor Angst sichtlich zusammenfuhr. »Klappen Se die Scheißarmlehne hoch, und wir können alle sitzen, ja?« Der dicke Mann klappte hastig die Armlehne hoch, und der Eindringling zwängte sich mit lauten Geräuschen der Genugtuung in die entstandene Lücke zwischen dem dicken Mann und der Mutter mit Kind.
    »Achten Sie auf Ihre Sprache in Gegenwart von Damen!« sagte die Mutter ungehalten. Das Kind fing wieder an zu brüllen. »Da – jetzt schreit auch noch das Kind Ihretwegen.«
    Der Eindringling ignorierte sie. Er holte einen Mirror und einen Herald hervor, und nachdem er sich ersteren klatschend aufs Knie gelegt hatte, öffnete er letzteren in voller Breite, so daß seine Ellbogen nur wenige Zentimeter vor den Nasen derjenigen schwankten, die rechts und links von ihm saßen. Die Frau mit der Reisedecke hatte nach ihrem ersten Ausfall angesichts des monotonen Stroms von Lästerungen ihre Niederlage eingesehen und schwieg jetzt. Geoffrey, Fielding und der Geistliche, befangen in typisch bürgerlicher Angst, diese ungestüme Personifikation der Unterschicht zu beleidigen, saßen hilflos und mißbilligend da. Nur die Mutter, die ihre Unversöhnlichkeit mit verächtlichen Blicken aufrechterhielt, und der dicke Mann, dessen Lage ja auch noch verzweifelter war, leisteten weiter Widerstand.
    »Ich nehme an«, sagte der dicke Mann, von seinem Pareto aufblickend, »daß Sie eine Fahrkarte für die Erste Klasse haben?«
    Totenstille folgte auf die Frage. Der Eindringling riß sich langsam von seiner Zeitung los, wie ein Boxer, der einen unfairen Schlag unter die Gürtellinie eingesteckt hat und schwerfällig seine Kräfte für einen Vergeltungsschlag sammelt. Die anderen blickten entgeistert. Sogar der dicke Mann bebte, eingeschüchtert von der unheilvoll verzögerten Beantwortung seiner Frage.
    »Was geht’n Sie das an?« fragte der Eindringling schließlich und schlug seinen Herald zu. Dramatische Stille folgte. »Sie sind ja wohl nich’ der Fahrkartenkontrolleur, was?« Der dicke Mann blieb stumm. »Nur weil ich nich’ so’n reicher Faulenzer bin wie Sie, hab ich wohl kein Recht, hier bequem zu sitzen, hä?«
    »Bequem!« sagte die Frau mit dem Kind bedeutungsvoll.
    Der Eindringling achtete nicht auf sie, sondern sprach weiter auf den dicken Mann ein. »Sie Snob, Sie! Zu arrogant, um Leute wie mich im selben Abteil ertragen zu können, was? Eins sag ich Ihnen« – er tippte dem dicken Mann abrupt auf die Weste – »wir führen diesen Krieg auch deshalb, um Leute wie Sie ein für allemal loszuwerden und damit Leute wie ich auch mal die Chance kriegen, sich ein bißchen mehr auszubreiten.«
    Er breitete sich aus, anschaulich, wobei er Fielding gegen das Schienbein trat. Das Kind schrie wie am Spieß. » Unhold «, sagte die Mutter.
    »Blödsinn!« protestierte der dicke Mann schwach. »Das hat nichts damit zu tun, ob man eine Erste-Klasse-Fahrkarte hat oder nicht.«
    Der Eindringling drehte den ganzen Körper herum und rammte förmlich sein Gesicht in das des dicken Mannes. »Ach, was Sie nicht sagen?« Er redete plötzlich sehr schnell. »Wenn wir den Sozialismus haben, ja, dafür kämpfen wir nämlich, ja, dann müssen Sie und Ihresgleichen mir ein bißchen Respekt zeigen, ja, statt mich wie den letzten Dreck zu behandeln, ja?« Dieses Gedankenganges überdrüssig, richtete er seine Aufmerksamkeit auf das Buch des dicken Mannes und zog es ihm, trotz schwacher Proteste, aus den Händen. Dann nahm er es bedächtig und genauestens in Augenschein, wie ein Chirurg, bevor er einen besonders abscheulichen Tumor entfernt.
    »Was’n das?« sagte er. »Vilfriiedo Pariieto«, verkündete er dem ganzen Abteil. » Die allgemeine Soziologie «, las er. »Wer is’n das – irgend so ein

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