Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
auf dem Bewußtsein basiert?«
Die Miene seines Gegenübers erhellte sich; dann wurde er wieder ernst. »Ich denke, das wäre möglich «, sagte er, »aber ich weiß nicht, wie es in der Realität aussehen sollte. Dennoch, ich werde darüber nachdenken. Danke für die Anregung.« Er wirkte recht verzagt; Geoffrey wechselte hastig das Thema.
»Waren Sie schon mal in Tolnbridge?«
»Noch nie«, erwiderte Peace; er schien dieses Eingeständnis von Unzulänglichkeit als den höchsten Ausdruck seiner Probleme zu betrachten. »Es soll sehr schön sein. Haben Sie vor, länger dort zu bleiben?«
Schlagartig wurde Geoffrey ohne jeden vernünftigen Grund mißtrauisch. »Das weiß ich noch nicht genau«, sagte er.
»Mein Schwager«, sagte Peace zur Erläuterung, »ist der Praecentor in der Kathedrale, und ich besuche meine Schwester – das erste Mal seit Jahren. Ich gestehe, daß ich mich nicht darauf freue. Ich habe so meine Schwierigkeiten mit dem Klerus« – er senkte die Stimme und warf einen verstohlenen Blick auf den Vertreter des Klerus in der anderen Ecke. »Ich finde, sie betrachten unsereins als eine Art modernen Medizinmann – womöglich zu Recht«, schloß er kläglich in Erinnerung an seine Zweifel.
Geoffreys Interesse war geweckt. »Zufälligerweise«, sagte er, »werde ich selbst im Gästehaus der Diözese wohnen, es kann also sein, daß wir uns mal begegnen. Ich werde die Orgel spielen, jedenfalls eine Zeitlang.«
Peace nickte. »Ach ja, stimmt«, sagte er, »der Organist ist niedergeschlagen worden. Das hat mir meine Schwester heute morgen am Telefon erzählt. Sie hat gesagt, sie war nicht überrascht – der Bursche trinkt anscheinend gern mal einen über den Durst. Ich nehme an, dann hat mein Schwager Sie gebeten zu kommen?«
»Das wäre eigentlich seine Aufgabe gewesen, ganz recht. Aber es war ein Freund von mir, Gervase Fen, der zur Zeit im Gästehaus wohnt. Ich nehme an, man hat ihm die Befugnis dazu gegeben.« Da er Fen kannte, wurde Geoffrey mit einem Mal von nagenden Zweifeln gepackt. Aber offenbar hielt der Feind ihn für befugt, sonst würde er wohl kaum seine Zeit mit ihm verschwenden.
»Gervase Fen«, sagte Peace nachdenklich. »Der Name kommt mir bekannt vor.«
»Eine Art Detektiv.«
»Verstehe – der untersucht dann wohl den Angriff auf diesen Brooks, nehme ich an. Und er läßt Sie kommen, damit Sie ihm assistieren? Außergewöhnlich, was die Polizei sich heutzutage alles einfallen läßt.«
»Kein Polizeibeamter – ein Amateurdetektiv.«
»Oh.«
»Und Sie machen nur Urlaub?«
»Nicht ganz. Ich muß mit meinem Schwager sprechen über …« Peace bremste sich plötzlich. »Eine geschäftliche Angelegenheit. Nichts Wichtiges.« Die Veränderung in seiner Stimme entging Geoffrey nicht, und offenbar fand er, daß er schon zuviel gesagt hatte, denn er lehnte sich zurück und nahm automatisch wieder den Daily Mirror zur Hand. Geoffrey hatte das Gefühl, entlassen worden zu sein. Doch er wollte ihm noch eine einzige Frage stellen.
»Haben Sie zufällig gesehen, wie ich, kurz nachdem ich in das Abteil gekommen bin, einen Brief von meinem Sitz aufgehoben habe?«
Peace blickte ihn einen Augenblick lang befremdet an. »Ja«, sagte er langsam. »Das habe ich tatsächlich. Ich hoffe, es war nichts Beunruhigendes.«
»Nein, nichts Beunruhigendes. Sie haben wohl nicht gesehen, wie er dahin gelangt ist?«
Sein Gegenüber überlegte einige Augenblicke, bevor er antwortete. »Leider nein«, sagte er schließlich. »Nein, da kann ich Ihnen überhaupt nicht weiterhelfen.«
Geoffrey wurde mit einem Schmetterlingsnetz über die Sümpfe von Devon gejagt. Seine Verfolger waren verschwommene Gestalten, aber sie bewegten sich sehr flink. Es wunderte ihn gar nicht, daß Peace neben ihm rannte. »Es ist erforderlich«, sagte er zu Peace, »daß wir das Unbewußte über den Haufen rennen, wo immer es ist. Wir können uns dort verstecken, und außerdem habe ich den starken Verdacht, daß Gervase Fen auch irgendwo hier in der Nähe ist.« Sein Begleiter erwiderte nichts – er hatte zuviel mit dem Kind zu tun, das er trug. Als sie die Kathedrale erreichten, waren die Verfolger ein gutes Stück näher gekommen, und sie liefen so schnell sie konnten zum Altar und riefen: »Asyl! Wir verlangen Asyl!« Ein junger Pfarrer hielt sie unter dem Lettner an. »Wir werden nicht immer scheitern«, sagte er. »Wir werden ganz bestimmt nicht immer scheitern.« Die Verfolger waren jetzt ganz nah. Peace ließ das Kind
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