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Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)

Titel: Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Crispin
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Lärm. Peace schreckte ruckartig aus dem Schlaf; als er sah, woher die Unruhe rührte, hievte er sich mühsam aus dem Liegestuhl, klopfte sich reflexartig eingebildeten Staub von der Hose und blickte sich verschlafen und ohne Begeisterung um.
    »Erwache, Äolsharf’, erwache«, sagte Fen, »und schenk Verzückung deinem zitternd Saitenspiel.«
    »Verzückung?« Peace blickte ihn entgeistert an. »Ich würde sagen, unsanftes Wecken.«
    Fen ließ sich im Gras nieder. »So unsanft«, sagte er, »wie der Boden. Gibt es keine Stühle mehr? Phyllis und Corydon hätte das vielleicht gefallen, aber mir nicht.« Er untersuchte eine Löwenzahnwurzel. »Ameisen«, sagte er.
    »Die arkadischen Mythen« – der Lehrer oder Prediger ging mit Peace durch – »sind eindeutig sexuellen Ursprungs. Es geht stets um Verfolgung. Pan ist die Verkörperung männlicher Lust, Syrinx das schwer faßbare, ausweichende Objekt seiner Begierde. Man könnte fast sagen, daß der Mythos den ganzen Widerspruch und die Antithese männlicher und weiblicher Eigenschaften umfaßt. Aber vielleicht« – er wurde nachdenklich – »auch nicht.«
    Fen knurrte. »Sind Sie es nicht manchmal satt, ständig nach psychologischen Parallelismen zu kramen?«
    »Doch. Sehr satt. Aber wenn man es als amüsantes und groteskes Spiel betrachtet, kann man sich damit an einem ansonsten langweiligen Abend ganz gut die Zeit totschlagen. Die Faust-Legende, also, darin steckt unerschöpfliches Material – die angestauten Traumphantasien einer ganzen ethnischen Gruppe. Und die Grundregeln des Spiels sind kinderleicht. Wasser ist immer das Unbewußte – ich habe keine blasse Ahnung, wieso. Wenn Sie träumen, daß Sie ins Meer fallen und unter Wasser herumschwimmen, bedeutet das, daß Ihr Unbewußtes triumphiert hat, oder« – er hielt inne – »daß Sie eine schlechte Verdauung haben. Alles Runde oder Hohle ist der Mutterschoß, das weibliche Prinzip.« Er nahm die leere Bierflasche und klopfte gegen den Boden. »Das hier zum Beispiel – ein Mandala-Symbol. Alles andere ist das männliche Prinzip, aller Wahrscheinlichkeit nach. Zusätzlich gibt es urzeitliche alte Männer mit Bärten.«
    »Ich habe den Eindruck«, sagte Fen mit feierlichem Ernst, »daß wir hier gerade einen radikalen Zusammenbruch des Glaubens erleben.«
    »Glaube.« Peace nickte. »Genau das ist es. Kein intellektueller Zweifel, sondern ein Zusammenbruch des Glaubens. Der Medizinmann verliert das Vertrauen in seine Farbe und seinen Kopfschmuck und seine Amulette.« Er verstummte.
    Geoffrey versuchte, die Unterhaltung auf dringlichere Fragen zu lenken. »War das Gespräch mit Spitshuker gestern abend für Sie aufschlußreich?« fragte er vorsichtig.
    Peace blickte ihn durchdringend an; die List war allzu durchschaubar. »Er hat vorgeschlagen, meinen Glauben gegen seinen auszutauschen. Er hat gesagt, der sei viel rationaler und zugleich viel weniger rational und deshalb wäre er doppelt so befriedigend.«
    »Was meinen Sie?«
    »Ich denke, er hat recht. Ich gestehe, mich auf eine bisher nie gekannte Weise zur Kirche hingezogen zu fühlen. Der Übergang dürfte nicht schwierig sein. Nicht das, was man glaubt, ist entscheidend, sondern das emotionale Bedürfnis, das die eigenen Überzeugungen befriedigen. Offenbar gehöre ich zu den Menschen, die einen Glauben brauchen – welcher, spielt keine Rolle. Patriotismus könnte da genauso dienlich sein.«
    Intellektuell, dachte Geoffrey, war der Mann stärker, als er zunächst schien, aber das war nur der vordergründige Bereich seines Wesens. Wo war das emotionale Zentrum? Eine Frau? Möglicherweise. Eine wissenschaftliche Leidenschaft? – Doch das, was er sagte, deutete kaum darauf hin. Geld? Irgendein kreatives Interesse? Das Leben eines Menschen konnte sogar durch eine Leidenschaft fürs Korbflechten ausgefüllt sein. Oder gab es so ein Zentrum bei ihm gar nicht? War die Hülle wirklich so hohl, wie sie klang? Peace stellte, für sich allein betrachtet, ein irritierendes Problem dar. Irgendwie fehlte es ihm an Innenleben, an einem Selbst – was vielleicht daher rührte, daß er sich permanent um das Innenleben, die Persönlichkeiten anderer kümmerte.
    Fen, der mit einer der beiden Bierflaschen herumspielte, sagte sanft:
    »Das eigentliche Wesen eines Menschen ist unweigerlich weniger interessant, da gleichförmiger, als die Fassade, die er nach außen zeigt. Nehmen wir zum Beispiel Dr. Butler.« Er hielt bewußt inne, damit Peace den Themenwechsel

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