Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
schwelen.« Dann gingen sie ein wenig übereilt hinaus. An der Haustür hatte Fen sich wieder so weit gefangen, daß er Garbin noch eine Frage stellen konnte.
»Kennen Sie die Gedichte von Edgar Allan Poe?«
»Ich fürchte, nein. Ich habe nicht viel für Verse übrig.«
»Auch nicht sein Gedicht Der Rabe ?«
»Aha. Es gibt also tatsächlich ein Gedicht über einen Raben? Ist es gut? Ich kenne mich mit solchen Dingen gar nicht aus.«
»Sehr gut«, sagte Fen mit allergrößtem Ernst. »Sie würden einiges darin entdecken, das Sie interessieren könnte. Guten Morgen.«
Kapitel 9
Drei Verdächtige und eine Hexe
I’m not taken
With a cob-swan or a high-mounting bull,
As foolish Leda and Europa were;
But the bright gold, with Danaë.
Ben Jonson
Weder Schwan
noch mächtger Stier betören mich,
Wie Leda und Europa in ihrer Torheit;
Sondern das funkelnde Gold, wie Danae.
»Der arme Brooks«, sagte Fen, als sie zu Butlers Haus gingen. »Irgendwie scheint er in der Untersuchung ein wenig in den Hintergrund getreten zu sein. Aber sein Fall ist bei weitem nicht so aufschlußreich wie der von Butler.«
»Finden Sie es nicht auch sehr merkwürdig, daß Spitshuker die Kathedrale hat aufräumen lassen, ohne die Polizei zu fragen?«
»Möglich. Aber vielleicht auch nicht. Das hängt von gewissen medizinisch-technischen Gegebenheiten ab, die ich noch nicht kenne.«
Die Sonne war jetzt heißer, aber eine leichte kühle Brise war aufgekommen. Eine Kathedralenstadt, dachte Geoffrey, ist ein wunderbarer Ort – die vollkommenste praktische Verbindung von Kirche und Laienstand, die man sich denken kann. Hier war man angenehm umgeben von der tradierten und der gegenwärtigen Gottesanbetung; hier erhielten die eigenen Laster und kleinen Sünden durch ihre Umgebung noch zusätzlich Würze. Ihm kam der Gedanke, Fen zu fragen, was er eigentlich in Tolnbridge mache.
»Ich bin hergekommen«, sagte Fen verdrießlich, »um den Dechanten zu besuchen, der mit mir in Oxford war. Er ist nicht da – eine empörende Taktlosigkeit. Aber ich denke, unter den gegebenen Umständen wird er sehr bald wiederkommen. Ich muß in einigen Tagen abreisen – das Semester beginnt Anfang des nächsten Monats, und ich muß eine Vorlesung über William Dunbar halten.« Er seufzte. »Außerhalb von Oxford fühle ich mich irgendwie verloren.«
»Sie wirken nicht verloren.«
»Ich frage mich, wie das Semester laufen wird. Die Studenten werden von Mal zu Mal schwachsinniger. Aber soviel ich weiß, wird Robert Warners neues Stück hier aufgeführt. Und die ganze Zeit über komme ich mit den Insekten nicht weiter. Ich werde mir in dem Geschäft dort ein Buch über sie kaufen.«
Gesagt, getan. »Insekten!« sagte Fen laut zu einer Verkäuferin und wedelte unbefangen mit einer Hand vor der Kundschaft und dem Personal herum. Man fand für ihn eine abgegriffene Ausgabe von Fabres Bilder aus der Insektenwelt .
Auf der Straße begegneten sie Fielding, der ziellos umherschlenderte, zweifellos beseelt von der Illusion, irgendwie den Helden spielen zu können. Er habe über sämtliche Aspekte des Falles nachgedacht, teilte er ihnen mit, sei jedoch zu keinem befriedigenden Ergebnis gelangt. Sie berichteten ihm, was sich seit der vergangenen Nacht ergeben hatte, aber das half ihm offensichtlich auch nicht weiter. Er äußerte die vage Entschlossenheit, sich alles durch den Kopf gehen zu lassen und möglichst viel aus dem Wirt vom »Whale and Coffin« herauszubekommen. Er war sichtlich verstimmt, von den Befragungen am Morgen ausgeschlossen gewesen zu sein, aber Fen erklärte, mit mehr Nachdruck als Takt, es sei schon schlimm genug, eine nutzlose Person dabei zu haben, er brauche keine weitere. Fielding begab sich weiter auf seine unbestimmte Mission, die letzten Endes darin mündete, daß er in einem Pub Darts spielte.
Butlers Haus war ein stattlicher übergroßer Bau mit kleinen nutzlosen Seitenflügeln, Außengebäuden und Geräteschuppen in einem weitläufigen und wild wuchernden Garten. Am Tor trafen Fen und Geoffrey den Inspektor, eine traurige und einsame Gestalt, die mit trostloser Hoffnungslosigkeit von einer Vernehmung zur nächsten trottete. Er sah sie argwöhnisch an und fragte sich augenscheinlich, ob sie erfolgreicher gewesen waren als er. Es war wie bei einer Schatzsuche als Partyspiel, dachte Geoffrey, bei der man die Hinweise verstecken muß, nachdem man sie sich angesehen hat, und sich immer tunlichst unwissend stellt, wenn jemand anderes
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