Heiliger Bimbam – DuMonts Digitale Kriminal-Bibliothek: Gervase-Fen-Serie (German Edition)
getan werden. Es ist sehr viel klüger, sie in Freiheit zu lassen, in dem Glauben, daß wir sie nicht verdächtigen, und derweil zu versuchen, ihren Methoden irgendwie auf die Schliche zu kommen. Aber das wird schwer werden. Verdammt schwer.«
Das »Whale and Coffin« war ziemlich voll, und sie gingen durch in die Lounge, wo noch Sitzplätze frei waren; zuvor jedoch sammelten sie Fielding ein, der gerade beim Dartspielen war. Geoffrey bekam plötzlich ein schlechtes Gewissen, als ihm klar wurde, daß er in den letzten paar Stunden nicht ein einziges Mal an Fielding gedacht hatte; schließlich hatte ihm der Mann zweimal das Leben gerettet. Er wirkte so niedergeschlagen und ziellos wie immer. Geoffrey nahm sich vor, seine Nachlässigkeit wiedergutzumachen.
Sie suchten den Wirt, Harry James, und Fen stellte ihm Fragen. Er schien sehr bereitwillig zu antworten, und seine Auskünfte kamen verdächtig prompt. Am gestrigen Abend, so sagte er, sei er ununterbrochen im Pub gewesen, und zwar von dem Zeitpunkt an, wo es aufmachte (18.00 Uhr), bis zur Sperrstunde (22.30). Von halb zehn bis halb elf habe er sich mit drei Stammgästen unterhalten, deren Namen er ihnen nennen könne. (Geoffrey registrierte erstaunt, daß Fen bei dieser Auskunft einen Seufzer der Erleichterung ausstieß.) Fen fragte ihn, ob er selbst um achtzehn Uhr die Türen aufgeschlossen habe. Er bejahte und fügte hinzu, daß etliche Kunden, die schon draußen gewartet hätten, das bestätigen könnten. Es klang alles ganz selbstverständlich und war nicht unerwartet, doch Geoffrey merkte, daß er eine immer größere Abneigung gegen diesen kleinen Mann empfand, wie er so dastand, mit seinen kleinen Augen, die hinter dicken Brillengläsern blinzelten, und ununterbrochen mit seiner Uhrkette spielte. Er hatte etwas beinahe körperlich Abstoßendes an sich.
»Ich habe mich gefragt«, warf Geoffrey ein, »wieso Sie gestern abend meinen Vornamen wußten.«
»Aber, Mr. Vintner« – James lächelte, und als er sich umwandte, spiegelten seine Brillengläser das elektrische Licht – »ich kenne Sie natürlich als Komponisten von Kirchenmusik. Ich fürchte fast, Sie sind zu bescheiden, was Ihren Ruf angeht.«
»Sie sagten bei der Gelegenheit, Sie hätten an jemand Verstorbenen gedacht.«
»Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen«, entgegnete James aalglatt. »Die Unsitte, bekannte Menschen zu belästigen, mißbillige ich.«
»Dann interessieren Sie sich also für Kirchenmusik?«
»Sehr. Ich beschäftige mich schon zeit meines Lebens damit.«
Geoffrey heuchelte Interesse, mit einigem Erfolg, wie er insgeheim dachte. »Es ist ungewöhnlich, auf Laien zu stoßen, die etwas von der Materie verstehen. Wir müssen uns bei Gelegenheit länger unterhalten. Was ist denn Ihre Lieblingsvertonung der Abendgottesdienste?«
James lächelte erneut. »Ich selbst bin Presbyterianer, daher sind mir die Sätze der anglikanischen Liturgie nicht so vertraut. Aber von denen, die ich kenne, habe ich eine sentimentale Vorliebe für die von Noble in b-moll.«
»Ich persönlich schätze die von Stanford in Es.« Geoffrey wartete atemlos auf die Entgegnung. Doch James zog nur die Augenbrauen hoch und sagte:
»In Es? Hab ich noch nie gehört. Die in B ist natürlich hinreißend und auch die weniger bekannte in G.«
Geoffrey fluchte insgeheim; der Mann war nicht zu packen. Laut bemerkte er:
»Sie sollten morgen zur Frühandacht kommen. Wir bringen Byrds achtstimmige Vertonung von In Exitu Israel .«
»Ah«, strahlte James, und Geoffrey faßte wieder Hoffnung. »Da kenne ich leider nur die von Wesley.« Geoffreys Mut sank; erneut war seine List fehlgeschlagen.
»Darf ich Ihnen, bevor ich mich verabschiede«, sagte James noch, »für Ihren wundervollen Abendmahlsgottesdienst danken? Das Glaubensbekenntnis mit diesem immer stärker werdenden Viertelnotenmotiv in der Begleitung ist ganz besonders gelungen … Nun, Gentlemen, wenn ich Ihnen nicht weiter zu Diensten sein kann. Jenny!« Er rief eine gerade vorbeikommende Kellnerin. »Diese Gentlemen sind heute abend meine Gäste. Ein Glas von unserem ganz besonderen Whisky für Professor Fen hier. Ein ganz feiner alter Whisky«, raunte er Fen vertraulich zu. »Sie werden ihn mögen, da bin ich sicher. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.« Er strahlte sie an und war weg.
»Whisky!« sagte Fen mit großer Befriedigung. Dennoch kostete er ihn zunächst vorsichtig, als das Glas gebracht wurde.
»Ich bin fassungslos«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher