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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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die Achseln und stocherte verdrießlich mit den Essstäbchen im Sushi herum. »Klingt genau wie hier.«
    »Ja.« Ich nahm noch einen Schluck Whisky. Zwischen Harlans Welt und dem, was ich auf der Erde gesehen hatte, gab es eine Menge kleiner Unterschiede, aber ich hatte im Moment keine Lust, sie für Plex auszuführen. »Jetzt, wo du es sagst.«
    »Und was hast du… Ach du Scheiße!«
    Einen Moment lang dachte ich, dass er sich nur mit dem Flaschenrücken-Sushi abmühte. Vielleicht lag es an den schlechten Reaktionen des durchlöcherten Synthetiksleeves oder einfach nur an der Müdigkeit, die kurz vor Morgengrauen ihren Tribut forderte. Ich brauchte mehrere Sekunden, bevor ich aufschaute, seinem Blick an der Bar entlang zur Tür folgte und begriff, was ich dort sah.
    Auf den ersten Blick war die Frau nicht weiter bemerkenswert – sie war schlank und wirkte selbstsicher in ihrem grauen Overall und einer unauffälligen gepolsterten Jacke. Ihr Haar war unerwartet lang, und ihre Gesichtsfarbe lag irgendwo zwischen hell und gebleicht. Für eine Quallenfischerin waren ihre Züge vielleicht etwas zu markant. Dann fiel mir die Art, wie sie dastand, auf: die Stiefel etwas auseinander, die Hände flach auf der Spiegelholztheke, den Kopf leicht nach vorne geneigt, der ganze Körper unheimlich unbewegt. Mein Blick wanderte wieder zu ihrem Haar, und…
    Keine fünf Meter von ihr entfernt stand eine Gruppe hochrangiger Priester der Neuen Offenbarung im Türrahmen und musterte die Kundschaft mit eisigen Blicken. Sie mussten die Frau im selben Moment ausgemacht haben wie ich sie.
    »Verfluchte Scheiße!«
    »Plex, halt die Klappe«, presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen und bewegungslosen Lippen hervor. »Sie kennen mein Gesicht nicht.«
    »Aber sie ist…«
    »Warte. Einfach. Ab.«
    Die Gang im Dienste des geistlichen Wohlbefindens näherte sich. Insgesamt neun. Patriarchenbärte wie Comicfiguren und glattrasierte Schädel. Ihre Gesichter waren grimmig und entschlossen. Über den glanzlosen, ockerfarbenen Roben dreier Offiziatoren hingen die schwärzlichen Farben der evangelikalen Auserwählten. Sie trugen ihre Bioware-Monokel wie altertümliche Piratenaugenklappen. Die Gruppe näherte sich der Frau an der Theke in einem Bogen wie ein Schwarm Möwen auf einem Abwind. Ihr unbedecktes Haar war für sie zweifellos ein loderndes Leuchtfeuer der Provokation.
    Ob sie eigentlich auf der Suche nach mir die Straßen durchkämmten, war völlig unwichtig. Ich hatte die Zitadelle maskiert betreten, in einem synthetischen Sleeve. Ich hatte keine Signatur.
    Aber seit sie den Safran-Archipel überwuchert hatten, wie Gift aus einer aufgeplatzten Netzqualle in die nördlichen Bereiche des nächsten Kontinents gesickert waren und mittlerweile, wie mir zu Ohren gekommen war, bereits in so weit südlichen Gemeinden wie Millsport hier und da Fuß fassten, trugen die Ritter der Neuen Offenbarung ihre regenerierte Misogynie mit einer Begeisterung zur Schau, auf die ihre irdischen islamochristlichen Vorfahren stolz gewesen wären. Eine Frau allein in einer Bar war schlimm genug, eine unbedeckte Frau weit schlimmer, aber das hier…
    »Plex«, sagte ich leise. »Ich denke, du solltest zusehen, dass du hier rauskommst.«
    »Tak, hör zu…«
    Ich stellte die Halluzinogengranate auf maximale Verzögerung ein, machte sie scharf und ließ sie vorsichtig unter den Tisch rollen. Plex hörte sie fallen und gab ein leises, wimmerndes Geräusch von sich.
    »Geh schon«, sagte ich.
    Der erste der drei Offiziatoren erreichte die Theke. Er stand etwa einen halben Meter von der Frau entfernt. Vielleicht wartete er darauf, dass sie zusammenzuckte.
    Sie beachtete ihn gar nicht. Genau genommen beachtete sie überhaupt nichts außer der Thekenoberfläche unter ihren Händen und, wie mir klar wurde, dem Gesicht, das sich darin spiegelte.
    Ich stand ohne Eile auf.
    »Tak, das ist es nicht wert, verdammt! Du weißt überhaupt nicht, w…«
    »Ich sagte, du sollst gehen, Plex.« Ich trieb langsam hinein, hinein in die Wut, wie ein verlassenes Boot am Rande eine Strudels. »Auf diesem Feld willst du nicht spielen.«
    Der Offiziator war es leid, ignoriert zu werden.
    »Frau«, bellte er. »Du wirst dich bedecken!«
    In abgehacktem, deutlich artikuliertem Tonfall erwiderte sie: »Warum verschwinden Sie nicht und ficken sich selbst mit etwas Spitzem in den Arsch.«
    Eine beinahe komische Pause entstand. Die am nächsten sitzenden Stammgäste blickten sie in einer

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