Heiliger Zorn
Räuspern. »Alles zu seiner Zeit. Darf ich mich nochmals erkundigen, ob Sie mit Ihrem Sleeve zufrieden sind?«
»Sieht ganz danach aus.« Plötzliche Erkenntnis. Der Sleeve ist ausgesprochen geschmeidig und reagiert beeindruckend schnell, selbst an den Ansprüchen einer Person gemessen, die Sonderausführungen des Corps gewohnt ist. Ein schöner Körper, zumindest von innen betrachtet. »Ist das ein neues Nakamura-Modell?«
»Nein.« Haben sich ihre Augen eben leicht nach links oben bewegt? Als Sicherheitsbeauftragte hat sie höchstwahrscheinlich ein Netzhaut-Datendisplay. »Von Harkany Neurosystems, in Außenweltlizenz für Khumalo-Cape kultiviert.«
Normalerweise sind Überraschungen kein Problem für Envoys. Wenn ich die Stirn gerunzelt habe, dann nur auf der Innenseite. »Khumalo? Von denen habe ich noch nie gehört.«
»Nein, wohl kaum.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es dürfte reichen, wenn Sie wissen, dass wir Sie mit der allerbesten verfügbaren Biotech ausgestattet haben. Ich glaube nicht, dass ich jemandem mit Ihrem Erfahrungsschatz die Fähigkeiten Ihres Sleeves im Einzelnen darlegen muss. Wenn Sie genauere Informationen wünschen, können Sie über den Datendisplay links oben in Ihrem Sichtfeld auf eine Gebrauchsanweisung zugreifen.« Ein schwaches Lächeln, vielleicht mit einer Spur Unwillen. »Harkany hat diesen Sleeve nicht speziell für den Envoy-Gebrauch gezüchtet, und wir hatten keine Zeit für eine Sonderanfertigung.«
»Sie haben es mit einer unmittelbaren Krisensituation zu tun?«
»Sehr aufmerksam, Kovacs-san. Ja, die Situation ließe sich durchaus als kritisch bezeichnen. Es wäre uns recht, wenn Sie sofort mit der Arbeit begännen.«
»Dafür werde ich schließlich bezahlt.«
»So ist es.« Würde sie jetzt die Frage anschneiden, wer mich bezahlte? Wohl eher nicht. »Wahrscheinlich ist Ihnen bereits klar, dass es sich um einen verdeckten Einsatz handelt. Etwas ganz anderes ab die Sache auf Sharya. Obwohl Sie dort gegen Ende der Mission einige Erfahrungen mit Terroristenbekämpfung gemacht haben, wenn ich mich nicht irre.«
»Ja.« Nachdem wir ihre IP-Flotte zerschlagen, ihre Datenübertragungssysteme gestört, ihre Wirtschaft zerlegt und ihren globalen Widerstandswillen im Großen und Ganzen abgetötet hatten, waren immer noch ein paar Hardliner übriggeblieben, die die Botschaft des Protektorats einfach nicht kapieren wollten. Also haben wir sie zur Strecke gebracht. Infiltrieren, anfreunden, unterwandern, verraten. Morde in Seitengassen. »Für eine Weile habe ich Terroristen bekämpft.«
»Gut. Ihre Arbeit hier ist der Sache nach nicht unähnlich.«
»Sie haben Terroristenprobleme? Haben die Quellisten sich mal wieder danebenbenommen?«
Sie winkt ab. Heutzutage nimmt niemand den Quellismus mehr ernst. Das ist schon seit ein paar Jahrhunderten so. Die paar echten Quellisten, die es auf dieser Welt noch gibt, haben ihre revolutionären Prinzipien gegen einträgliche Verbrecherkarrieren eingetauscht. Gleiches Risiko, bessere Bezahlung. Sie bereiten dieser Frau und der Oligarchie, die sie repräsentiert, kein Kopfzerbrechen. Der erste eindeutige Hinweis, dass sich die Dinge hier anders verhalten, als es den Anschein hat.
»Es handelt sich eher um eine Kopfjagd, Kovacs-san. Eine Einzelperson. Nichts Politisches.«
»Und dafür holen Sie sich Envoy-Unterstützung?« Selbst auf der kontrollierten Maske meines Gesichts dürfte sich an diesem Punkt eine Augenbraue heben. Wahrscheinlich wird auch meine Stimme etwas lauter. »Das muss eine bemerkenswerte Einzelperson sein.«
»Das ist er. Genau genommen handelt es sich um einen ehemaligen Envoy. Bevor wir fortfahren, Kovacs-san, muss ich Ihnen etwas erklären, das…«
»Es sieht eher danach aus, als müsste man meinem befehlshabenden Offizier ein paar Sachen erklären. Denn für mich klingt das Ganze verdächtig danach, dass Sie die Zeit des Envoy Corps verschwenden. Solche Aufträge übernehmen wir nicht.«
»… vielleicht ein Schock für Sie ist. Sie… äh… gehen zweifellos davon aus, dass man Sie kurz nach der Sharya-Operation resleevt hat. Vielleicht sogar nur ein paar Tage nach Ihrem Needlecast von dort.«
Ein Achselzucken. Envoy-Gelassenheit. »Tage oder Monate – das ist kein großer Unterschied für m…«
»Zwei Jahrhunderte.«
»Was?«
»Sie haben mich richtig verstanden. Sie waren knapp zweihundert Jahre eingelagert. Real gesehen sind das…«
Die Envoy-Gelassenheit fliegt ganz schnell zum Fenster raus. »Was,
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