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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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austretende molekulare Schrapnell in die Lungen gelangte, zerfiel und Wirkung zeigte.
    Die Todesqualen der Priester um mich herum wurden vom allgemeinen Geschrei übertönt. Verwirrte Rufe, durchwirkt von Spuren irisierenden Lachens. Es war eine intensive persönliche Erfahrung, sich auf der Empfängerseite einer H-Granate zu befinden. Ich sah Leute, die versuchten, unsichtbaren Gegnern auszuweichen oder eingebildete Flugobjekte beiseite zu schlagen, die um ihre Köpfe schwirrten. Andere starrten gedankenverloren auf ihre Hände oder in Ecken und erschauderten dann und wann. Von irgendwo hörte ich raues Weinen. Mein Atem hatte im Moment der Explosion automatisch ausgesetzt – eine Nachwirkung der Jahrzehnte, die ich auf die eine oder andere Art in militärischen Zusammenhängen verbracht hatte. Ich wandte mich zu der Frau um und stellte fest, dass sie sich an der Theke hochgezogen hatte. Ihr Gesicht sah zerschunden aus.
    Ich riskierte einen Atemzug, um den allgemeinen Aufruhr zu überbrüllen.
    »Können Sie stehen?«
    Sie nickte verbissen. Ich zeigte zur Tür.
    »Nach draußen. Versuchen Sie, nicht zu atmen.«
    Geduckt taumelten wir an den Überresten des Trupps der Neuen Offenbarung vorbei. Diejenigen, die nicht bereits aus Mund und Augen bluteten, waren zu sehr damit beschäftigt, zu halluzinieren, um eine Bedrohung für uns darzustellen. Sie stolperten umher und rutschten in ihrem eigenen Blut aus, blökten unartikuliert und wedelten mit den Händen vor ihren Gesichtern herum. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich alle auf die eine oder andere Art erwischt hatte, aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich mich verzählt hatte, hielt ich bei einem Priester ohne sichtbare Wunden inne. Ein Offiziator. Ich beugte mich über ihn.
    »Ein Licht«, säuselte er mit hoher, verklärter Stimme und streckte die Hände zu mir empor. »Ein Licht im Himmel. Der Engel ist über uns. Wer könnte noch die Wiedergeburt verlangen, wenn sie es nicht tun, wenn sie auf uns warten.«
    Bestimmt wusste er nicht mal ihren Namen. Was spielte es dann verdammt noch mal für eine Rolle?
    »Der Engel.«
    Ich hob das Tebbit-Messer. Der Mangel an Atemluft ließ meine Stimme flach und angespannt klingen. »Schauen Sie noch einmal hin, Offiziator.«
    »Der Eng…« Und dann musste etwas durch die Halluzinogene gedrungen sein. Plötzlich wurde seine Stimme schrill, und er krabbelte rückwärts von mir weg, die geweiteten Augen auf die Klinge geheftet. »Nein! Ich sehe den Alten, den Wiedergeborenen. Ich sehe den Zerstörer.«
    »Jetzt haben Sie’s kapiert.«
    Die Bioware des Tebbit-Messers war in die Blutrinne einprogrammiert, die einen halben Zentimeter hinter der Spitze ansetzte. Wenn man sich versehentlich schnitt, war die Wunde normalerweise nicht so tief, dass man damit in Berührung kam.
    Ich schlitzte ihm das Gesicht auf. Tief genug.
    Und ging.
     
    Draußen schwebte eine Wolke schillernder Motten mit winzigen Totenschädeln aus dem Nachthimmel herab und umkreiste mich grinsend. Ich blinzelte sie fort und holte ein paarmal tief Luft. Die Scheiße aus dem System waschen. Zusammenreißen.
    Die Dockstraße hinter der Säuberungsstation lag in beide Richtungen verlassen da. Plex war nirgends zu sehen. Niemand war zu sehen. Die Leere schien mit etwas schwanger zu gehen, zitterte vor albtraumhaftem Potenzial. Ich rechnete allen Ernstes damit, ein gewaltiges Paar Reptilienklauen zu sehen, das sich unter dem Fundament des Gebäudes hervorschob und es in seiner Materialität aus dem Weg räumte.
    Das solltest du lieber nicht denken, Tak. Wenn du in diesem Zustand damit rechnest, passiert es nämlich.
    Der Bürgersteig…
    Beweg dich. Atme. Verschwinde von hier.
    Nieselregen sprühte vom wolkenverhangenen Nachthimmel herab und flimmerte wie leichte Interferenz im Schein der Angier-Lampen. Über dem flachen Dach der Säuberungsstation glitten die Deckaufbauten eines Käscherschiffes in Sicht. Navigationslichter blinkten wie Edelsteine an der hoch aufragenden Struktur. Wie von weither waren die Rufe zu hören, die zwischen Schiff und Kai ausgetauscht wurden. Das Zischen und metallische Klirren von automatischen Andockklammern, die in die Anschlüsse an der Kaimauer einrasteten, ertönte. Von einem Moment auf den anderen vermittelte die Szenerie eine betäubende Ruhe. Ein ungewöhnlich friedvoller Augenblick trieb aus dem Sumpf meiner Newpester Kindheitserinnerungen an die Oberfläche. Das Grauen, das ich eben erst empfunden hatte, verpuffte, und

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