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Heiliger Zorn

Heiliger Zorn

Titel: Heiliger Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
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zum Teufel, ist mit…«
    »Bitte, Kovacs-san. Hören Sie sich an, was ich zu sagen habe.« Ihre Stimme hat jetzt einen scharfen, befehlenden Tonfall. Als meine Konditionierung mich wieder auf den Zuhören-und-Lernen-Modus eingepegelt hat, spricht sie ruhiger weiter. »Später erkläre ich Ihnen alle Einzelheiten, die Sie wissen wollen. Im Moment müssen Sie sich damit zufrieden geben, dass Sie nicht mehr im eigentlichen Sinne Mitglied des Envoy Corps sind. Sie können sich ab Privatangestellten der Harlan-Familie betrachten.«
    Jahrhunderte abgeschnitten seit der letzten eigenen lebendigen Erinnerung. Aus der Zeit herausgesleevt. Ein ganzes Leben entfernt von allem und jedem Bekannten. Wie ein verdammter Krimineller. Zwar dürfte die Envoy-Anpassungstechnik die Sache inzwischen weitgehend in den Griff bekommen haben, aber trotzdem…
    »Wie haben Sie…«
    »Ihre digitalisierten Persönlichkeitsdaten wurden bereits vor längerer Zeit für die Familie erworben. Wie gesagt, die Einzelheiten kann ich Ihnen später erklären. Sie sollten sich nicht allzu sehr den Kopf darüber zerbrechen. Ich biete Ihnen einen lukrativen Vertrag an, der sich für Sie unseres Erachtens mehr als auszahlt. Wichtig ist im Moment nur, dass Sie begreifen, in welchem Maße ihre Envoy-Fähigkeiten bei dieser Angelegenheit auf die Probe gestellt werden. Das hier ist nicht mehr Harlans Welt, wie Sie sie gekannt haben.«
    »Damit komme ich zurecht.« Ungeduldig. »Das ist mein Job.«
    »Gut. Sie werden natürlich wissen wollen…«
    »Klar.« Binde den Schmerz ab, wie eine Aderpresse an einer blutenden Extremität. Stelle Selbstsicherheit und lässiges Desinteresse zur Schau. Halt dich am offenkundigen Hauptpunkt fest. »Und wer ist nun dieser Scheiß-Ex-Envoy, den ich so dringend für Sie einfangen soll?«
     
    Vielleicht lief es etwa so ab.
    Aber vielleicht auch nicht. Ich stütze mich auf Verdachtsmomente und Wissensbruchstücke, die ich erst sehr viel später aufgesammelt habe. Aus dem, was sich erraten lässt, bastle ich mir eine Theorie, deren Lücken ich mithilfe der Envoy-Intuition stopfe. Aber vielleicht liege ich vollkommen falsch.
    Ich weiß es nicht.
    Ich war nicht dabei.
    Und ich habe sein Gesicht nicht gesehen, als sie ihm gesagt haben, wo ich bin. Dass ich es bin und was er dagegen unternehmen soll.



Nehmt es persönlich…
     
    Quellcrist Falconer,
Was ich inzwischen gelernt haben sollte Band II

 
1
     
     
    Schaden.
    Die Wunde brannte höllisch, aber ich hatte schon schlimmere erlebt. Der blind abgefeuerte Blasterschuss hatte sich quer über meine Rippen gebrannt, nachdem er bereits von der Türverstärkung geschwächt worden war, durch die er sich auf dem Weg zu mir hatte durchbeißen müssen. Auf der anderen Seite der zugeschlagenen Tür die Priester, die ihr Glück mit billigen Bauchschüssen versucht hatten. Die ganze Nacht nur Scheiß-Amateure. Wahrscheinlich hatte der Schuss ihnen fast genauso wehgetan wie mir – auf diese Entfernung hatte die Türverstärkung einen Großteil der Ladung einfach zurückgeworfen. Auf meiner Seite der Tür war ich mitten im Sprung, als der Rest der Ladung mir eine lange, nicht allzu tiefe Furche über den Brustkorb grub, dann erlosch und in meinem Mantel weiterschwelte. Ein plötzliches eisiges Gefühl in der Seite und der Gestank gegrillter Hautsensorenkomponenten. Das seltsame Prickeln von Knochensplittern, fast wie ein Geschmack, dort, wo der Schuss die Bioschmiermittel-Ummantelung der Rippen aufgerissen hatte.
    Achtzehn Minuten später, laut dem kleinen Leuchtdisplay links oben in meinem Gesichtsfeld, begleitete mich das Prickeln immer noch, während ich die Straße im Lampenschein entlangeilte. Ich versuchte, die Wunde zu ignorieren. Flüssigkeiten sickerten verstohlen aus den Falten meines Mantels. Nicht allzu viel Blut. Ein synthetischer Sleeve hatte seine Vorzüge.
    »Auf der Suche nach etwas Spaß, sam?«
    »Hatte ich schon«, antwortete ich und entfernte mich vom Hauseingang. Der drahtig-muskulöse Mann blinzelte missbilligend – auf seine Augenlider waren Wellenmuster tätowiert –, als wollte er selber schuld sagen, und lehnte sich lässig ins Zwielicht zurück. Ich ging über die Straße und um die nächste Ecke. Auf dem Weg musste ich mich zwischen weiteren Huren hindurchschlängeln, eine davon weiblich, die anderen von unbestimmbarem Geschlecht. Die Frau war biotechnisch aufgemotzt, eine gespaltene Schlangenzunge zuckte zwischen ihren Lippen hervor. Vielleicht kostete sie

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