Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Heiliges Feuer

Heiliges Feuer

Titel: Heiliges Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
möchte, dass sie mich anschauen und sehen, dass ich sein Herz in meiner kleinen Handtasche herumtrage. Damit sie mir innerlich den Tod wünschen.«
    »Ist das dein Ernst, Benedetta? Ach, ich glaube schon. Es ist dir ernst. Ach, Schätzchen, das ich wirklich schlimm.«
    »Hast du jemals ein gutes Gespräch mit Paul geführt? Ich schon. Trotz alledem.«
    »Ja, ich auch«, sagte Maya. »Er hat mir einmal die Hand getätschelt.«
    »Ich glaube, da steckt die Polizistin dahinter. Das ist meine Arbeitshypothese. Die Witwe ist unsere wahre Rivalin. Sein Schwarm. Ist das der richtige Ausdruck, ›Schwarm‹? Jedenfalls Helene. Er will Helene. Er schmaust gerne mit Raubkatzen.«
    »Oh, nein. Das darf doch nicht wahr sein.«
    »Er respektiert Helen. Er nimmt sie ernst. Er redet mit ihr, selbst dann, wenn er nicht muss. Er will etwas von ihr. Er verlangt nach ihrer Bestätigung, sagt man so? Er möchte die Witwe erobern, sie besteigen wie das Matterhorn. Er möchte, dass sie an ihn glaubt.«
    »Ach, armer Paul, arme Benedetta. Was für ein Elend.«
    »Was geht mich das an?«, sagte Benedetta mit fröhlicher Bitterkeit. »Ich werde tausend Jahre leben. Selbst wenn ich hundert Jahre lang mit Paul zusammenlebte, wäre dies doch bloß eine Episode. Wenn ich Paul jetzt bekäme, was würde ich dann später mit ihm anfangen, wenn es interessant wird? Was die Witwe betrifft, die können wir vergessen. Sie würde sich niemals in einen Mann verlieben, der sie überleben wird.«
    »Oh. Also, das erklärt einiges. Schätze ich.«
    »Begreifst du jetzt, Maya? Du bist nicht menschlich. Wir sind nicht menschlich. Aber wir können begreifen. Wir sind Kunsthandwerker. Wir wissen etwas, noch ehe wir es aussprechen können. Unser Begriffsvermögen wird dem Denken stets voraus sein.«
    Ein Gong ertönte. Es war Marcel. Er rief etwas auf französisch, dann auf deutsch und auf englisch. Der Zeitpunkt für die Immersion war gekommen.
    »Ich gehe nicht rein«, sagte Maya.
    »Du solltest aber mit uns schwimmen, Maya. Es täte dir gut.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Das ist keine ernsthafte Virtualität. Das ist nicht das heilige Feuer. Der Immersionspool ist bloß das Spielzeug eines Reichen. Aber es ist nett. Und technisch raffiniert.«
    Die anderen sprangen johlend ins funkelnde Wasser. Niemand tauchte wieder auf.
    Benedetta schlang ihr üppiges Haar zu einem Knoten, sodass sie aussah wie Psyche. »Ich gehe rein. Ich glaube, heute habe ich Lust auf Sex.«
    »Aber mit wem, um Himmels willen?«
    »Also, wenn ich keinen finde, der es mit mir treibt, dann probiere ich’s vielleicht allein.« Lächelnd rannte sie los und stürzte sich kopfüber ins Nass. Weiße Luftblasen stiegen auf, und weg war sie.
    Paul schlenderte am Rand des Pools entlang. Blickte hinein. Lächelte. Der Inbegriff der Zufriedenheit.
    »Jetzt sind wir beide ganz allein!«, rief er.
    Maya winkte ihm. »Nur zu, du brauchst mir nicht Gesellschaft zu leisten.«
    Er schüttelte den Kopf. Er kam näher, mit langsamen Schritten, barfuß. »Ich kann doch nicht zulassen, dass du hier Trübsinn bläst.«
    »Paul, weshalb gehst du nicht ins Wasser?«
    »Du hast dich mit Benedetta über Politik unterhalten«, bemerkte Paul scharfsinnig. »Wir nehme diese Risiken und Anstrengungen nicht allein zum Spaß auf uns. Das wäre gleichbedeutend mit einer moralischen Niederlage. Wir müssen uns in unserer Jugend amüsieren, sonst hätte es wenig Sinn, jung zu sein. Du siehst, du musst einfach mitmachen.«
    »So etwas macht mir Angst.«
    »Dann will ich dir mal was drüber erzählen«, sagte Paul und setzte sich vorsichtig aufs Fußende der Liege. »Stell dir den Virtualitätspool als eine Art Creme de menthe vor. Okay? Die oberste Schicht besteht aus atembarer Silikonflüssigkeit. Spaßeshalber haben wir eine Spur Anandamin hineingetan. Unten befindet sich verformbare Flüssigkeit. Sie ähnelt den Flüssigkeiten, aus denen unser Freund Eugene seine Skulpturen gießt. Allerdings ist diese hier viel raffinierter und angenehmer, deshalb können wir darin schwimmen. Es handelt sich um eine tragende, tastbare, atembare Virtualität, in die man eintauchen kann.«
    Maya schwieg. Sie bemühte sich, aufmerksam dreinzuschauen.
    »Das beste daran ist die Plattform. Die Plattform ist ein Flüssigcomputer. Die logischen Schaltungen werden aus winzigen Schleusen und Kanälen gebildet. Verstehst du? Wir tauchen im Pool und atmen dabei die Essenz der Datenverarbeitung! Und der Computer konkretisiert sich, während er

Weitere Kostenlose Bücher