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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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das möchten sie gern schaffen, ehe die große Bombe platzt – was immer es sein mag.«
    Die schwerwiegende Bestätigung all dessen, was bis jetzt nur gedankliche Spielerei und Spekulation gewesen war, drehte mir den Magen um.
    »Es besteht die Möglichkeit, dass irgendeine Gruppe unreifer junger Menschen diese neue, wie auch immer geartete Macht entdeckt und von ihr Gebrauch macht …, ehe wir unser Haus in Ordnung gebracht haben. Bestimmte Führer, die oberhalb der einzelnen Achsenmächte angesiedelt sind, Führer in Seattle, Tokio und Beijing halten es für denkbar, dass wir uns dabei selbst vernichten.«
    Mendoza legte die Stirn in tiefe Falten, als habe man ihm gerade mitgeteilt, eines seiner Kinder sei schwer erkrankt. »Wie Sie wissen, bin ich seit einem Jahrzehnt in Washington und dort eine Art Außenseiter. Ich bin Mormone und habe mich keiner Therapie unterzogen. Aber ich bin ganz gut klargekommen. Wenn irgend jemand herausfände, dass ich mit Ihnen gesprochen habe, würde ich möglicherweise alles, für das ich gekämpft habe, verlieren: die Position, jegliche Macht, jeglichen Einfluss.«
    »Warum haben Sie es dann überhaupt riskiert?«, fragte ich.
    »Wussten Sie, dass die polizeiliche Überwachung – selbst die Überwachung von Normalbürgern – in allen Hauptstädten der Erde verboten ist?«
    Ich hatte davon gehört.
    »Manche Regierungsangelegenheiten erledigt man besser privat. Selbst in diesem ultrarationalen Zeitalter, in dem jeder Bildung besitzt und riesige, unmittelbare Volksabstimmungen durchgeführt werden, muss es Spielraum für unorthodoxe Vorgehensweisen geben.«
    »Das Nicht-Absolute, nach Peterson«, warf ich ein. Peterson – der geistige Ziehvater so vieler Betriebswirtschaftsstudenten höheren Semesters – hatte behauptet, jedes auf totale Organisation und Rationalität bedachte System müsse sich selbst die Möglichkeit offen halten, die Regeln und üblichen Verfahrensweisen, wenn nötig, zu durchbrechen. Andernfalls werde das System unweigerlich und auf katastrophale Weise scheitern.
    »Genau. Kehren Sie nach Hause zurück, Miss Majumdar. Wählen Sie Ihre Mentoren und Führer sehr sorgfältig. Arbeiten Sie für die Einheit des Mars. Unabhängig davon, auf welche Weise sich der Mars einbringt: Dass er sich einbringen muss, steht fest. Ich habe mich lange genug mit Geschichte befasst. Ich sehe, was vor uns liegt. Die Berge sind sehr steil, die Verlockungen sehr groß und die Zeit für Lösungen sehr knapp. Und keine der Lösungen ist angenehm.«
    »Ich bin ja nur eine Praktikantin«, warf ich zaghaft ein.
    Er wandte den Blick mit grimmiger Miene ab. »Dann müssen Sie einen Menschen finden, der das Zeug zum Steuermann hat und Sie durch diesen Sturm lotst.« Er lehnte sich zurück, zupfte die Ärmel zurecht, griff nach seiner Tüte und stand auf. »Leben Sie wohl, Miss Majumdar.«
    »Leben Sie wohl«, antwortete ich. »Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.«
    Mendoza zuckte die Achseln und ging über das Gras in östlicher Richtung davon, aufs Capitol zu.
    Ich blieb auf der Bank sitzen und wandte den Kopf zum Lincoln Memorial. Meine innere Kälte entsprach dem Marmor unter meinen Fingern.
    Einen Monat später packten Bithras, Allen und ich unsere Sachen für die Rückreise zum Mars. Das Packen selbst dauerte nicht lange. Ich hatte Bithras einige Tage nicht gesehen. Die meiste Zeit hatte er sich in Ferngespräche mit dem Mars vertieft, aber meiner Meinung nach ging er uns auch absichtlich aus dem Weg.
    Allen behandelte Bithras nicht mehr mit dem Respekt, den man einem altverdienten Staatsmann normalerweise entgegenbringt. Es fiel Allen schon schwer, unserem Rechtsvertreter überhaupt so etwas wie Achtung zu zeigen. Bithras wollte mich nicht in eine ähnliche Auseinandersetzung drängen. Er hatte wohl Angst, dabei den kürzeren zu ziehen.
    Allerdings empfand ich keinen Hass auf ihn. Ich empfand kaum etwas, nicht einmal echtes Mitleid. Ich wollte nur noch nach Hause. Zwei Tage vor unserer Abreise kam Bithras ins Wohnzimmer unserer Suite und blieb vor mir stehen, während ich im Sessel sitzenblieb und mich mit meinem Kom befasste.
    »Man hat das Verfahren gegen mich eingestellt. Sie haben die kulturellen Unterschiede geltend gemacht. Der Zirkus ist vorbei«, sagte er. »Zumindest dieser Teil.«
    Ich blickte auf. »Gut.«
    »Ich habe in Alices Namen Klage eingereicht«, fuhr er fort. »Die BG Majumdar klagt gegen die Mind Design Incorporated aus Sorrento Valley, Kalifornien.«
    Ich nickte.

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