Heimat Mars: Roman (German Edition)
Mendoza. Er wollte mit mir allein, im Freien, sprechen und wünschte nicht, dass ich irgendeinem Menschen von dem Treffen erzählte.
Nach angemessener Zeit verschwand die Nachricht. Zurück blieb nur seine Dienstnummer, bei der ich mich melden sollte.
Ich nahm ein Mittagessen aus der Tüte mit – ein Sandwich und ein Getränk –, das ich an einem altmodischen Verkaufskarren nahe beim Lincoln Memorial gekauft hatte. Als ich mich der Marmorbank am Spiegelteich genähert hatte, dem mit Mendoza vereinbarten Treffpunkt, sah ich, dass er ebenfalls einen Imbiss mitgebracht hatte. Ich ließ mich neben ihm nieder. Er begrüßte mich mit einem herzlichen Lächeln.
»Manchmal«, sagte er, »stelle ich mir vor, wie es wohl früher in der Regierung gewesen sein mag. Vor der Informationstechnik, als die Zeitungen noch auf Papier gedruckt wurden … und es vielleicht schon Fernsehen und Rundfunk gab. Damals waren die Dinge viel einfacher. Wissen Sie, dass ich der einzige Senator auf dem Hügel bin, der keine Erweiterungen hat?« Sein Lächeln wurde breiter. »Ich habe einen guten Stab, gute, engagierte Leute. Manche haben Erweiterungen. Also bin ich im Grunde ein Heuchler.«
Ich sagte nichts.
»Miss Majumdar, was in Richmond geschehen ist, ist mir sehr peinlich.«
»Warum haben wir uns überhaupt in Richmond getroffen?«, platzte ich heraus. »Weil Richmond mal die Hauptstadt der Konföderation war?«
Er schien für einen Augenblick verwirrt, dann schüttelte er den Kopf. »Nein. Damit hat es nichts zu tun. Wir wollten Sie von Washington wegholen, weil das, was Wang und ich zu sagen hatten, eigentlich nicht im Namen der Regierung der Vereinigten Staaten erfolgte.«
»Es kam von GOWA.«
»Selbstverständlich.«
»Sie haben meinem Onkel eine Falle gestellt und seine Mission durchkreuzt. Wir waren für Sie leichte Beute, nicht wahr?«
»Bitte«, sagte Mendoza und hob die Hand. »Wir haben Ihrem Onkel überhaupt nichts angetan. Er hat uns alle enttäuscht – die Erde wie den Mars. Was geschehen ist, ist geschehen, aber ich bedaure es. Ihre Gruppe besitzt einfach nicht das Vertrauen der GOWA. Der Zusammenstoß Ihres Onkels mit der Frau aus Pakistan … Wir haben ihn weder erwartet noch gewollt. Und wir können ihn auch nicht vertuschen – Pakistan ist nur lose mit der GOWA assoziiert. Sie ist die Ehefrau eines Diplomaten, Miss Majumdar. Ihr Onkel hat sie begrapscht. Wir dürfen froh sein, wenn wir den Fall in ein paar Wochen beilegen und Ihren Onkel zum Mars zurückschicken können.«
»Warum wollten Sie mit mir reden?«
Mendoza lehnte sich zu mir herüber, streckte den Arm aus und stützte die Hand auf die Bank, als wolle er mir etwas Vertrauliches mitteilen. »Sie haben, genau wie ich, keine Erweiterungen und sich auch nicht der säkularen Reinigung, sprich einer Therapie, unterzogen. Sie sind altmodisch, das ist mir sympathisch. Ich habe Ihre LitArtikel und Seminararbeiten gelesen. Ich bin überzeugt, dass Sie zur nächsten Führer-Generation auf dem Mars gehören werden.«
»Ich glaube nicht, dass ich mich je wieder auf Politik einlasse«, antwortete ich.
»Unsinn.« Mendoza wirkte plötzlich ärgerlich. »Der Mars kann es sich gar nicht leisten, auf Menschen wie Sie zu verzichten. Und er kann es sich auch nicht leisten, sich auf Menschen wie Ihren Onkel zu verlassen.«
Ich verzog das Gesicht.
»Ist Ihnen überhaupt klar, wie entscheidend die nächsten Jahre sind?«, fragte Mendoza.
Ich gab keine Antwort.
»Ich weiß nicht halb so viel, wie ich gern wüsste. Möglicherweise werden Sie mit der Zeit mehr als ich erfahren. Vielleicht landen Sie während dieser besonderen Phase der Geschichte mitten in einem Knotenpunkt, mitten in einer Führungsgruppe. Ich werde mich stets als Botenjunge am Rand bewegen. Aber eines weiß ich ganz genau: Die Leute, die über mir stehen, haben furchtbare Angst. Eine solche Verwirrung, solche Uneinigkeit habe ich noch nie erlebt. Selbst die Denker sind uneins. Ist Ihnen klar, wie außergewöhnlich das ist?«
Ich starrte ihn an, meine Gereiztheit ihm gegenüber hatte sich verflüchtigt.
»Etwas erschreckend Mächtiges wird bald entfesselt werden. Die Wissenschaft tut uns das alle paar Generationen an. Sie wirft uns etwas in den Schoß, auf das wir einfach noch nicht vorbereitet sind. Man könnte meinen, wir wären heutzutage auf nahezu alles vorbereitet. Nun ja, wenigstens sehen die Leute und die Denker an der Spitze ganz klar, dass wir unser Haus in Ordnung bringen müssen. Und
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