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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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Elternteils bedeutet vielleicht die schwerwiegendste Realisierung der Tatsache, dass man ab jetzt ganz allein die Verantwortung für sich trägt. Aber der Verlust meiner Mutter bedeutete noch mehr: eine Entwurzelung, ein Abreißen all meiner Bindungen.
    Die stumme, private Trauer verzehrte meinen Vater wie eine innere Flamme. Ich hatte keine Ahnung von diesem neuen Menschen, der den Körper meines Vaters bewohnte. Ich hatte angenommen, wir würden uns jetzt vielleicht näher kommen, aber so war es nicht.
    Besuche bei ihm fielen mir nicht leicht. Er sah meine Mutter in mir. Während dieser ersten Monate taten ihm meine Besuche so weh, dass er sie nicht ertragen konnte. Wie die meisten Marsianer lehnte er Trauertherapie ab, auch Stan und ich wollten keine machen. Mit unserem Schmerz würdigten und ehrten wir die Tote.
    Ich musste meine eigenen Pläne machen, mein eigenes Leben finden und es in der Zeit, die mir von meiner Jugend noch blieb, neu aufbauen. Ich war dreizehn Marsjahre alt. In Majumdar würde ich nur eine ganz eintönige Beschäftigung finden. Und für meinen Vater in Ylla arbeiten wollte ich nicht.
    Es war an der Zeit, andere Verbindungen zu knüpfen.
    Meine Liebe, die so langsam wie eine zarte Pflanze heranwuchs, erwachte und erblühte im Frühling des Mars.
    Die größten Fossilienfunde auf dem Mars hatte man während meiner Reise zur Erde gemacht. In den Lycus- und Cyane-Sulci, die sich als breites Band nördlich des alten Schildvulkans Olympus über tausend Kilometer hinziehen, krümmen und schichten sich die Canyons so, als hätten dort riesige, rastlose Würmer ihre Schlupfwinkel gehabt und Spuren hinterlassen. Einst ist hier die Mutter Ecos gediehen und hat viele Millionen Jahre überlebt, während der übrige Mars starb.
    Einer der wichtigsten Leute bei den Ausgrabungsarbeiten war Kiqui Jordan-Erzul. Sein Assistent war Ilya Rabinowitsch.
    Ich traf Ilya bei einem ›Verbindungsfest‹ der BGs in Rubicon City, unterhalb von Alba Patera. Er hatte gerade seine zwölfte Mutterkapsel ausgegraben. Ich hatte davon gehört.
    Ein sogenanntes ›Verbindungsfest‹ der BGs war eine für den Mars typische, einzigartige Einrichtung. Jedes Vierteljahr fand es an einem anderen Ort des jeweiligen Bezirkes statt. Bei solchen Festen herrschte Feiertagsstimmung. Man konnte dabei alles unter einen Hut bringen: Flirten und Tanzen, Vorträge, die Vorführung von Produkten und die Abwicklung von BG-Geschäften. In lockerer Atmosphäre hatten die BGs Gelegenheit, Geschäftstips für den Handel innerhalb des Dreierbunds auszutauschen, ohne Druck miteinander zu verhandeln und Abmachungen zu treffen, aber auch Ausschau nach künftigem Familien-Zuwachs zu halten.
    Ilya berichtete anschaulich über seine Fossilienfunde in Cyane Sulci. Mir fiel dabei ein, wie ich mit Charles zu den Fundstellen in der Nähe von Très Haut Médoc gefahren war. Daraus ergab sich ein Gespräch mit Ilya, das wir im Anschluss an seinen Vortrag führten.
    Ilya war klein – ein Zentimeter kleiner als ich –, gut gebaut, hatte dunkle, lebhafte Augen und ein erfrischendes spontanes Lächeln. Vom Aussehen her erinnerte er mich an Sean Dickinson, aber charakterlich war er das genaue Gegenteil. Er tanzte gern, er sprach öffentlich wie privat gern über den uralten Mars.
    Während einer Pause zwischen den anstrengenden Gruppentänzen, die in Patera üblich waren, setzten Ilya und ich uns ins Teezimmer. An der Decke flimmerte die Projektion eines Nachthimmels. Ilya beschrieb die Mutter Ecos mit großer Liebe und in allen Einzelheiten und vertraute mir seine Vorstellungen von der uralten Landschaft an – so plastisch, als habe er schon damals gelebt. Ich konnte es gut nachvollziehen.
    »Ausgrabungen sind so, als ob man sich mit dem Mars vermählte«, sagte er. Offensichtlich war er darauf gefasst, dass ich ihn verständnislos anstarren oder mich auf einen anderen Platz flüchten würde. Statt dessen bat ich ihn, mir noch mehr zu erzählen.
    Nach dem Tanzen spazierten wir beide stundenlang um ein von einer Quelle gespeistes Wasserreservoir herum. Ohne große Umstände (wenn man von einer vorsichtigen Annäherung und einem warnenden Lächeln absieht) küsste er mich und sagte, er fühle sich wahnsinnig zu mir hingezogen. Das war nun keineswegs originell, aber bei Ilya wirkte es so.
    »Oh«, bemerkte ich unverbindlich, lächelte ihm aber aufmunternd zu.
    »Ich kenne dich schon lange«, sagte er, zwinkerte und sah mich mit schräg geneigtem Kopf an. »Klingt

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