Heimat Mars: Roman (German Edition)
vermied es, auf meinen nackten Körper zu blicken und hatte die Lippen fest zusammengepresst. »Du sollst wissen, dass ich mit dem hier eigentlich nichts zu tun haben will«, sagte er. »Ich meine, ich bin nicht mit dem Herzen dabei. Ich fühle mich auf dem Mars wirklich wohl, und dies hier ist mein erster Arbeitseinsatz, verstehst du?«
Ich sah mich um. Der Sympathisant hatte das Zimmer verlassen. »Besorg uns was anzuziehen«, forderte ich ihn auf.
»Ihr habt die Bahngleise in die Luft gesprengt. Die Leute hier sind ziemlich aufgebracht. Ich will damit nur sagen: Gib nicht mir die Schuld, wenn die Situation noch beschissener wird. Auf den Gängen, in den Tunneln wird patrouilliert. Ich halte die Augen auf, da ist einiges im Gange. Ich glaube, sie haben Angst.«
Vor wem oder was sollten sie Angst haben? Hatten die LitVids sich auf Gretyls Verletzung oder Tod gestürzt und unsere Sache für sich ausgeschlachtet?
»Kannst du meiner Familie eine Nachricht zukommen lassen?«
»Dieser Rick ist einfach abgehaun«, sagte der Westindier kopfschüttelnd. »Er trifft sich mit anderen und lässt mich hier einfach allein.«
»Was ist mit Gretyl?«
Wieder schüttelte er den Kopf. »Hab nichts von ihr gehört. Was ich gesehen habe, hat mich angekotzt. Hier spielen doch alle verrückt. Warum hat sie es getan?«
»Weil sie etwas klarstellen wollte.«
»Lohnt sich doch gar nicht, dafür zu sterben«, sagte der Westindier und runzelte angestrengt die Stirn. »Ist doch eigentlich eine ganz unbedeutende Geschichte von ganz unbedeutenden Leuten. Auf der Erde …«
Das machte mich plötzlich wütend. »Hör mal, wir sind tatsächlich erst seit hundert Erdenjahren hier, und im Vergleich zur Erde mag unsere Geschichte ja auch wirklich ganz unbedeutend sein. Aber du lebst jetzt auf dem Mars, denk dran! Und hier geht’s um Korruption und schmutzige Machenschaften. Und wenn du mich fragst, dann hängt das alles ganz direkt mit der Erde zusammen. Ach, geht doch alle dahin, wo der Pfeffer wächst!«
Du klingst tatsächlich voll engagiert, dachte ich. Eine miese Behandlung konnte wirklich Wunder wirken.
Mit meinem Wutanfall hatte ich die anderen geweckt. Felicia setzte sich auf. »Er ist nicht bewaffnet«, stellte sie fest. Oliver und Chao standen vorsichtig um sich blickend auf und klopften einander den Staub vom Rücken. Ihre Muskeln waren so angespannt, als seien sie drauf und dran, sich auf den Mann zu stürzen.
Der Westindier sah inzwischen noch jämmerlicher drein, falls das überhaupt noch möglich war. »Versucht ja nichts«, warnte er, hielt sie mit ausgestreckten Armen auf Distanz und schüttelte den Kopf.
Die Tür ging auf. Der Sympathisant kehrte zurück und tauschte Blicke mit dem Westindier. Der senkte und schüttelte den Kopf. »O Mann«, seufzte er. Hinter dem Sympathisanten war ein Typ mit kurzem schwarzen Haar ins Zimmer getreten. Er trug einen eng sitzenden, modischen Anzug aus grünem Stoff, der bestimmt teuer gewesen war.
»Man hält uns hier gegen unseren Willen fest«, beschwerte sich Oliver sofort.
»In Haft«, ergänzte der Mann im schicken grünen Anzug freundschaftlich.
»Seit mehr als einem Tag. Wir verlangen, dass man uns endlich freilässt«, fuhr Oliver fort und verschränkte die Arme. Der Mann im Anzug lächelte über diese – im wahrsten Sinne des Wortes – unverhüllte Dreistigkeit.
»Ich bin Achmed Crown Niger«, stellte er sich vor. Er benutzte die Hochsprache des Mars, eine Abart des reinsten Englisch, das auf der Erde gesprochen wurde. In den Mars-BGs war so etwas nur selten zu hören. Ich nahm an, dass er aus Lal Qila oder irgendeiner anderen unabhängigen Gemeinschaft stammte. Vielleicht war er Mohammedaner. »Ich vertrete die staatlichen Belange der Universität. Im Moment gehe ich von Zimmer zu Zimmer und notiere die Namen. Ich brauche ein paar Angaben von euch: eure Familiennamen, die BG-Zugehörigkeit, die Namen der Leute, mit denen ihr in der nächsten Stunde Kontakt aufnehmen wollt.«
»Was ist mit Gretyl?«, fragte ich. Achmed Crown Niger zog die Augenbrauen hoch. »Sie lebt. Sie hat akute Gesichtsrose, und ihre Augen und Lungen müssen wiederhergestellt werden. Aber wir haben andere Dinge zu besprechen. Nach Bezirksgesetz beschuldigt man euch des Hausfriedensbruchs und der Sabotage …«
»Was ist mit den anderen?«, bohrte ich weiter.
Er beachtete mich gar nicht. »Das sind schwerwiegende Vergehen. Ihr werdet Anwälte brauchen.« Er wandte sich zum Sympathisanten um und
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