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Heimat Mars: Roman (German Edition)

Heimat Mars: Roman (German Edition)

Titel: Heimat Mars: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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das Zeug endlich loszuwerden. Der Westindier warf die Brocken in Abfallbeutel. Es lag noch soviel davon lose herum, dass wir niesen mussten.
    So, als machten wir uns zum ersten Mal miteinander bekannt, nickten wir fünf uns zu und stellten uns, soweit noch nicht geschehen, höflich vor. Wir kannten einander nur flüchtig. Eine von uns, Felicia Overgard, hatte mal einen Kurs zusammen mit mir besucht. Sie war ungefähr ein Jahr jünger als ich und zwei Semester unter mir. Oliver Peskin kannte ich nicht näher, er war ein Semester weiter als ich, sein Hauptfach war Agrarwirtschaft. Tom Callin und Chao Ming Jung hatte ich erst in der Kuppel unten kennengelernt.
    Der dünne Wächter wandte die Augen ab. Es war schon bizarr: Da fuchtelte er mit der Pistole vor uns herum, aber schämte sich angesichts unserer nackten Körper. Er deutete mit der Pistole auf die Dampfstrahler im Bad. »Ich weiß ja nicht, ob ihr Läuse habt, aber ihr stinkt wie nasse Füchse.«
    »Was sind Füchse?«
    Er hob die Schultern und gab keine Antwort.
    Die Dampfstrahler waren schon lange nicht mehr neu aufgefüllt oder mit frischen Filtern versehen worden. Nachdem wir geduscht hatten, rochen wir auch nicht viel besser als vorher. Mit Wasser konnte man dem schmierigen Belag nicht beikommen. Wir hatten überall rote und orangefarbene Flecken, die fürchterlich juckten. Bald würden wir auch Striemen haben.
    Es vergingen drei Stunden, ohne dass wir irgend etwas in Erfahrung bringen konnten. Die Wachen behielten die Schutzanzüge an, um den Staub von sich abzuhalten. Sie hatten ihre Kennzeichen abgenommen, wollten uns also ihre Namen nicht verraten. Der ›Sympathisant‹ wurde immer wütender, während die Zeit dahinkroch. Schließlich wurde er nervös und spielte mit der Pistole herum. Er pfiff vor sich hin und tat so, als wolle er sie auseinandernehmen und wieder zusammensetzen. Als sein Kom sich meldete, ging er ran.
    Nach zwei kurzen Durchsagen schickte er die weibliche Wache hinaus. Ich fragte mich, was sie wohl als nächstes vorhatten und warum sie die Frau nicht dabeihaben wollten.
    Auf eine so blöde Idee konnten doch selbst sie nicht kommen – oder doch?
    Das Gespräch mit meinen Kampfgefährten versickerte nach und nach und brach schließlich ganz ab. Unsere Angst hatte sich zwar gelegt – wir nahmen nicht mehr an, dass man uns erschießen würde. Aber das Gefühl, von der Welt abgeschnitten zu sein, das an die Stelle der Angst getreten war, war auch nicht viel besser und lähmte uns. Wir verstummten und klapperten mit den Zähnen.
    Die Zimmer waren nur notdürftig beheizt, und wir hatten immer noch keinen Faden am Leib. Die drei Männer litten noch mehr darunter als Felicia und ich.
    »Es ist kalt hier«, sagte ich zu dem Sympathisanten. Er gab mir recht, unternahm aber nichts.
    »Es ist hier so kalt, dass wir bestimmt krank werden«, ergänzte Oliver.
    »Auch recht«, sagte der Sympathisant.
    »Wir sollten ihnen ein paar Kleidungsstücke besorgen«, schlug der Westindier vor.
    »Nein«, widersprach der Sympathisant.
    »Warum nicht?«, fragte Chao. Felicia hatte den Versuch, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken, inzwischen aufgegeben.
    »Ihr habt hier jede Menge Unheil angerichtet. Warum sollen wir es euch leichter machen?«
    »Es sind doch Menschen, Mann«, sagte der Westindier. Er war noch nicht alt, vielleicht zwölf oder dreizehn Marsjahre. Wahrscheinlich war er erst vor kurzem eingewandert. Sein westindischer Akzent war immer noch deutlich herauszuhören.
    Der Sympathisant kniff die Augen zusammen und bewegte abwägend den Kopf hin und her.
    Wir haben gewonnen, dachte ich. Mit solchen Idioten können die Zentralisten doch keinen Staat machen, da haben sie doch gar keine Chance. Allerdings war ich mir keineswegs so sicher, wie ich es gern gewesen wäre.
    Nackt, frierend und mit fürchterlich juckender Haut verbrachten wir zehn Stunden in diesem kahlen Raum.
    Ich schlief ein und träumte von Bäumen. Sie waren so hoch, dass sie unter kein Kuppeldach passten, und wurzelten ohne jeden Schutz im roten Marsboden. Es waren rote Mammutbäume in rotem Treibsand, hundert Meter hoch, die von nackten Kindern gehegt und gepflegt wurden. Ich hatte den Traum schon früher gehabt. Als ich aufwachte, fühlte ich mich einen Augenblick lang ganz wunderbar. Und dann fiel mir wieder ein, dass ich eine Gefangene war.
    Der Westindier berührte mich an der Schulter. Ich wälzte mich auf dem Fußboden herum, der einen dünnen Teppichbelag hatte. Er

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