Heimat Mars: Roman (German Edition)
zwischen den besten Leuten, die der Mars aufbieten konnte.
Helmut Frankel, der Rektor, tätschelte meine Hand und flüsterte mir ins Ohr: »Das hier kann ein rotes Karnickel schon sehr stolz machen, nicht wahr?«
Ich stimmte ihm lächelnd zu. Ich wusste, dass Ilya der Übertragung zusah und fühlte mich ihm sehr nahe und eng mit ihm verbunden. Ich wusste, auch Charles würde sich die Sendung nicht entgehen lassen. Von mir aus konnte das Spiel losgehen.
Marshall, der vor zwei Jahren installierte Denker der Mars-Universität Sinai, projizierte das Bild eines seriösen marsianischen Universitätsprofessors: männlich, dunkler Typ, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, mit seinen grauen Strähnen im Haar recht distinguiert. Der virtuelle Professor verbeugte sich erst vor den Zuschauern, die höflich applaudierten, dann in Richtung der Bühne. »Präsidentin Erzul, Präsidentschaftskandidat Olson«, begann der Denker. »Ich habe Fragen von Bürgern unserer jungen Republik, von Menschen wie Denkern, gesammelt und sie sorgfältig analysiert, um jene Themen herauszuschälen, die uns offenbar am meisten auf den Nägeln brennen. Meine erste Frage richte ich an den Kandidaten Olson: Wie würden Sie die Politik der Republik in der Frage von Importen hochwertiger technischer Güter wie zum Beispiel Nano-Konstruktionen gestalten wollen?«
Olson musste offenbar nicht zweimal überlegen. »Der Dreierbund muss den Mars als vollwertigen Wirtschaftspartner behandeln und den Import solcher Waren ohne jede Einschränkung zulassen. Unsere wirtschaftliche Kraft ist im Vergleich zum Hauptexporteur von Nano-Konstruktionen, der Erde, zwar nicht sonderlich stark. Aber ich glaube, dass wir als Spross der Mutterwelt moralische Kraft besitzen. Warum sollte die Erde uns nicht als vollwertigen Partner behandeln, wenn sie darauf abzielt, mit der Zeit das ganze Sonnensystem in einem gemeinsamen Bündnis zu vereinigen – wenn sie möchte, dass souveräne Staaten und Welten ein gemeinsames Ziel verfolgen?«
»Besteht dieses gemeinsame Ziel in dem sogenannten Großen Vorstoß, im Vorstoß zu den Sternen?«
»Langfristig ganz bestimmt. Ich stimme mit den Regierungen der Erde darin überein, dass wir in Neuland vorstoßen müssen, wenn wir weiterkommen wollen. Allerdings liegen andere Ziele sehr viel näher. Beispielsweise müssen wir bei allen wissenschaftlichen und technischen Entdeckungen die Tore weit aufmachen, um die Reibungspunkte zu beseitigen, die bei ungleichem technischen Entwicklungstempo zwangsläufig entstehen.«
Olson wusste nicht viel, falls überhaupt irgend etwas, über die Olympier und bezog sich höchstwahrscheinlich auf den Unmut des Mars über den beschränkten Zugang zur Technik der Erde. Aber für mich hatte diese Stellungnahme noch ein ganz anderes Gewicht.
»Präsidentin Erzul, Ihr Kommentar zur Stellungnahme des Präsidentschaftskandidaten Olson?«
Ti Sandra legte die Hände aufs Pult und wartete einen Moment. Die sekundenlange Stille war wichtig. Politik ist ein Show-Geschäft. Ti Sandra wollte den Eindruck vermeiden, dass sie vorfabrizierte Antworten gab oder das Frage-Antwort-Spiel allzu leicht nahm.
»Es gibt keine Nation oder politische Körperschaft, die auf längere Sicht aus reinem Altruismus handelt. Es gibt folglich keinen Grund anzunehmen, dass sich die Erde zum Mars wie die Mutter zu ihrem Kind verhält. Wir haben unseren eigenen Stolz als Planet, wir haben unsere eigenen Vorzüge, unsere eigenen Waren und Erfindungen. All das haben wir anzubieten, und es wird im Laufe der Zeit großes Gewicht bekommen. Wir müssen wachsen, uns im friedlichen Wettbewerb bewähren und unseren Platz im Dreierbund einnehmen, ohne Almosen oder Vergünstigungen zu erwarten. Andere mögen darauf angewiesen sein, Neuland zu erobern. Aber der Mars ist selbst noch Neuland, immer noch. Der Mars ist jung, aber stark. Wir können und werden weiter wachsen, wir werden es in dem uns gemäßen Tempo zur eigenen Reife bringen.«
»Aber sollte uns der Dreierbund nicht schon wegen der historischen Bindungen als ebenbürtiger Partner behandeln?«, fragte Marschall.
Ti Sandra räumte ein, dass das eine gute Sache wäre, fügte allerdings hinzu: »Es ist keineswegs unsere Absicht, das Wachstum der Erde oder einer anderen souveränen Macht innerhalb des Dreierbundes irgendwie zu behindern. Wir wollen, langfristig gesehen, nur nicht, dass der Dreierbund uns seinerseits Stolpersteine in den Weg legt. Wir begrüßen enge Wirtschaftsbeziehungen, wir
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