Heimat Mars: Roman (German Edition)
Kopf. »Meine liebe Mitstreiterin, du sollst mich aufheitern und hier nicht Grabesstimmung verbreiten. Können wir auch über ein fröhliches Thema reden?«
Ich wollte ihr gerade die Gärten beschreiben, die derzeit in Many Hills angelegt wurden, als sie den Finger hob und ihr Kom aus der Tasche zog. »Zuerst will ich dir noch einiges zu Cailetet sagen. Du hast mich darüber informiert, dass sie Anfragen wegen Ländereien gestellt haben.«
»Ja. Und weiter?«
»Ich habe angeordnet, dass jeder Bezirk ihnen die Unterstützung verweigert. Warum sollen wir Crown Niger nicht in eine Zwangslage bringen und ihm das Gefühl geben, dass er links liegengelassen wird.«
»Wollen wir sie wirklich vom Zugang zu den Bodenschätzen abschneiden?«
»Du verlangst politische Entscheidungen, und dabei sind wir noch nicht einmal gewählt!«
»Du hast doch offensichtlich schon darüber nachgedacht.«
»Na ja, offen gesagt, werden wir nach den Wahlen, wenn sich alles stabilisiert hat – vorausgesetzt natürlich, wir werden gewählt –, die Dissidenten-BGs wohl als fremde Mächte mit eigenem Hoheitsgebiet behandeln. Die Regierung setzt sich mit Forderungen von Cailetet und den anderen auseinander, wägt ab, was dafür spricht, und überlegt sich, ob sie angemessene Steuern und Gebühren erhebt. Aber wir schneiden sie nicht von irgend etwas Lebensnotwendigem ab, das nicht.«
»Sie scheinen aber auf die Ausbeutung all dieser Bodenvorkommen gar nicht angewiesen zu sein.«
Ti Sandra schloss wieder die Augen und lächelte grimmig. »Die Bezirksgouverneure sind von sich aus misstrauisch, wir brauchen sie gar nicht auf die Fährte zu setzen.«
»Vielleicht will Cailetet unsere Beziehungen zu den Gouverneuren testen«, überlegte ich.
»Crown Niger hat doch ganz andere Möglichkeiten, wenn er das tun will.«
»Also wissen wir eigentlich gar nicht, was er wirklich vorhat.«
»Ich weiß es ganz bestimmt nicht«, erwiderte Ti Sandra.
Von meinem Bruder hatte ich seit sechs Wochen keinen Mucks gehört. Für einen Marsianer, der in der ganz eigenen Etikette engster Familienbeziehungen und mit dem ganzen Drumherum von familiärer Loyalität und geschäftlicher Verschwiegenheit aufgewachsen war (und natürlich galt diese Etikette auch beim Wechsel zu einer anderen Familie), war das nichts Alarmierendes. Cailetet war mitten in einer Auseinandersetzung mit einer neuen, größeren Art von Familie: mit dem neuen Staat. Ich erwartete von Stan keine wesentliche Unterstützung. Und wenn Stan sich nicht in eine dumme Lage bringen wollte, tat er am besten daran zu schweigen.
Allerdings hatte Stan sich auch nicht bei Vater gemeldet. Stan war ein sehr pflichtbewusster Sohn und kam mit Vater besser als ich aus. Ich wusste, dass Stan nicht krank war und ihm und Jane nichts zugestoßen war, aber das war auch alles.
Die Wahlkampagne erforderte jetzt meine ganze Aufmerksamkeit. Praktisch lebte ich in dem Shuttle oder in hastig hergerichteten Hotel- und Gästezimmern, abgeschirmt von Point One-Sicherheitsleuten und beraten von Experten für marsianische Politik, die ihr Geschäft schnell gelernt hatten.
Der Chef meiner persönlichen Leibwächter war ein imposanter Mann namens Dandy Breaker. Der Name passte zu seinem Äußeren: Mit seinen breiten Schultern, den großen Händen, den dicken Fingern und dem kurz getrimmtem weißblonden Haar wirkte Dandy in der Gesellschaft von Gouverneuren und offiziellen Regierungsvertretern seltsam fehl am Platz. Fast immer war er an meiner Seite. Glücklicherweise kamen Ilya und er gut miteinander aus. Dandy stellte stets gern Fragen zur Bodenkunde, und Ilya war immer gern bereit, sie zu beantworten.
Leander schaffte es nicht so schnell, Denker zu entwickeln, dass die staatlichen Stellen alle auf der Erde hergestellten Denker austauschen konnten. Mit diesem kleinen Risiko mussten wir leben, aber wir enthielten den Denkern alle Informationen über die Tweak-Projekte vor.
Einer dieser Denker – Alice Zwei, eine Leihgabe von Majumdar – wurde zum Koordinator unserer Wahlkampagne. Es machte Spaß, wieder mit Alice zusammenzuarbeiten. Ti Sandra und ich verbrachten auf den endlosen Flügen von Siedlung zu Siedlung Stunden damit, uns mit ihr zu unterhalten.
Alice legte unsere planmäßigen Wahlkampfauftritte nach demographischen Gesichtspunkten und örtlichen Meinungsumfragen fest. Ein typischer Auftritt konnte so verlaufen, dass wir mit dem Shuttle zu einer kleinen Siedlung im äußersten Norden flogen und uns dort mit
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