Heimat Mars: Roman (German Edition)
allen verfügbaren diplomatischen Kanälen nach Anzeichen bevorstehender Aktionen …
Und fanden nichts. In diesen Kanälen häuften sich die Unterstellungen und Dementis. Ich hatte den Dreierbund noch nie in einem derartigen Zustand völliger Konfusion erlebt.
Kein Bündnis der Erde bekannte sich dazu, grünes Licht für den Krieg gegen den Mars gegeben zu haben. Aber alle forderten die völlige Offenlegung des neuen marsianischen Potentials. Der Mond und die Gürtel-BGs empörten sich womöglich noch lauter als alle anderen über die Bedrohung, die der Mars darstelle. Unser Bundespresseamt und alle diplomatischen Dienste der Republik beeilten sich, gegenüber den anderen Mitgliedern des Dreierbundes die friedlichen Absichten des Mars zu beteuern, aber konnten ihnen auch nicht sagen, was genau passiert war … oder was wir als nächstes vorhatten.
Auch die meisten Marsianer verlangten vollständige Aufklärung. Die Opposition innerhalb der Regierung war noch zu wenig organisiert, als dass sie eine frontale Attacke gegen Ti Sandra und mich hätte reiten können. Aber es war klar, dass der Druck in einigen Wochen oder Monaten zunehmen und schließlich unerträglich werden würde.
Wir hatten es hier mit einem Spiel zu tun, das sich mit dem Gebaren von Pavianen vergleichen lässt, wenn sie den Hintern in die Luft recken und deren Farbe demonstrativ zur Schau stellen. Allerdings war es ein Spiel von ungeheurer Reichweite. Und wenn ein ganz bestimmter Mitspieler dabei auch nur mit den Augen zuckte, während er den Rückzug aus dem Spielfeld vorbereitete, dann …
… würde es zu einer Katastrophe kommen.
Das externe Kommunikationsnetz von Point One funktionierte wieder. Für die Reparaturen hatten wir lieber Menschen als Denker eingesetzt. Denker marsianischer Herstellung waren immer noch rar. In der Forschungsuniversität Tharsis hatte man nicht einmal zwanzig Denker bauen und in Betrieb nehmen können. Und nur zehn der fertiggestellten Denker konnten wir vom zivilen Einsatz abzweigen und für Regierungsbelange nutzen. Many Hills bekam drei, Kaibab sechs – darunter drei QL-Denker mit eingebauten Übersetzungen, die die großen Tweaker steuern sollten.
Lieh Walker war zur Meisterspionin aufgestiegen. Tag für Tag erweiterte sie den staatlichen Zugriff auf kostspielige illegale Dateien. Lieh kaufte sie aus Quellen an, die bei der Informationsbeschaffung nicht gerade zimperlich vorgingen. Wir hätten schon vor Monaten ausgedehnte Spionagenetze aufbauen sollen, aber wir hatten nicht voraussehen können, dass sich zwischen Erde und Mars derart ernsthafte Spannungen entwickeln würden. Inzwischen hatten wir – vielleicht zu spät – eingesehen, dass wir uns Skrupel nicht leisten konnten.
Wir stellten Dutzende weiterer Computerfreaks ein, die sich durch die Netze der Erde surften, Übermittlungen anzapften und sich an den süßen Geheimnissen privater GOWA- und GASH-Verbindungen ergötzten. Manche dieser Informationen verkauften wir auch an andere Quellen weiter, um Gelder für unsere eigenen Operationen lockerzumachen.
Als Lieh mich bat, die Finanzierung zwanzig weiterer Agenten auf der Erde und im Gürtel zu genehmigen, fragte ich, in welchem Dienstverhältnis die neuen Leute stehen würden. »Gut bezahlt«, sagte sie. »Und notfalls unsere Bauernopfer.« GOWA und GASH hatten bereits einige derjenigen, die für uns Mäuschen spielten, in die Falle gelockt. Und die Falle war fast immer tödlich, denn sie schickten zersetzende Evolvons in die informationsverarbeitenden Erweiterungen, die unsere Mäuschen im Datennetz benutzten.
»Wenn ich mehr darüber wissen sollte, informieren Sie mich bitte«, sagte ich.
»Ich nehme es auf meine Kappe«, antwortete Lieh. »Sie haben derzeit schon genug zu tragen.«
Was bedeutete, dass ich die Leben aller Marsianer, ihr eigenes eingeschlossen, in den Händen hielt. Ob sie damit einverstanden war, sollte ich nie erfahren. Ich fürchte, sie war es nicht.
Indessen trafen auch gute Nachrichten ein. Cailetet hatte Stan freigelassen. Crown Niger hatte Stan, seine Frau und sein Kind auf dem Stützpunkt Kipini in Chryse insgesamt zehn Wochen lang gefangengehalten und jeden Kontakt zur Außenwelt unterbunden. Nach Stans Freilassung erhielt ich zwei Briefe von ihm. Ich konnte ihm aus zeitlichen Gründen nur kurz antworten, und natürlich konnte ich ihm weder verraten, wo ich mich aufhielt, noch mit welchen Dingen ich beschäftigt war.
Mit ein paar kurzen Anrufen besorgte ich Stan
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